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GRAMATNEUSIEDEL/ Camerata Carnuntum : WAGNER-ABEND THOMAS WEINHAPPEL

25.05.2022: Wagner-Abend mit Thomas Weinhappel und der Camerata Carnuntum

Wenn Thomas Weinhappel singt, horcht mancher Wagner-Liebhaber neuerdings auf, denn aus seiner geschickt fachgewechselten Stimme leuchtet einem die Verheißung einer frohen Zukunft entgegen: ein neuer Heldenbariton. Diesmal zog es seine Fans in den Wittnerhof nach Gramatneusiedl unweit von Wien, wo der Sänger mit der lokal ansässigen, halb aus Profis bestehenden Camerata Carnuntum unter ihrem Dirigenten Leo Wittner in einem umgebauten Stall, der unweigerlich Erl-Assoziationen weckte, einen reinen Wagner-Abend mit Auszügen aus sechs Opern bestritt.

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© Camerata Carnuntum

Seit dem letzten Auftritt mit Wagner vor knapp zwei Monaten hat Weinhappel seinen Ausdruck hörbar verfeinert und gestaltete die Stücke nuancierter, auch draufgängerischer: Hier hatte sich jemand schon merklich von der Vorsicht gelöst, nur ja immer am richtigen Schlag und am richtigen Ton einzusetzen, und war zu profilierten Rollenportraits vorgedrungen, wie man sie sich gut auf großer Opernbühne vorstellen kann: Mag der Holländer-Monolog („Die Frist ist um“) seiner Stimme eine Tiefe abverlangen, die sie zwar besitzt, aber deren Schwärze ihr, vielleicht auch dem eher hellen Gemüt des Interpreten selbst, etwas fremd bleibt – dafür gab es gellende Leidenstöne in der hohen Lage, wo mancher schon kämpft –, so beeindruckten neben den prächtigen Burggrüßen („Vollendet das ewige Werk“) und („Abendlich strahlt der Sonne Auge“) des „Rheingold“-Wotan vor allem der sachlich-getragene Ton von Telramunds Ansprache („Dank, König, dir, daß du zu richten kamst“) aus dem ersten „Lohengrin“-Akt – wie deutlich abgesetzt hier die indirekte Rede, wenn der Kläger Elsas Worte wiedergibt –, der getriebene Gestus seines Arioso („Du fürchterliches Weib…Durch dich mußt’ ich verlieren“) aus dem zweiten „Lohengrin“-Akt sowie die Totenklage des Gralskönigs Amfortas am Sarg seines Vaters im dritten „Parsifal“-Akt („Ja! Wehe! Wehe! Weh über mich!“), deren zweiten Abschnitt („Mein Vater! Hochgesegneter der Helden…“) Weinhappel mit heikler Zurücknahme wie aus einem Atem schöpfte, als liege die schlimmste Selbstqual in der Beherrschung. Vor allem für Wotans Abschied (Schluss des dritten Aktes der „Walküre“: „Leb’ wohl, du kühnes, herrliches Kind“) wünschte man sich, dass Sänger und Partner manches mehr auskosteten, etwa die Pause vor dem „So küßt er die Gottheit von dir“; aber das mag eigene Hörgewohnheit sein, die durch die Noten nicht immer gedeckt ist. Seinen Gesang beglaubigte Weinhappel mit hingebungsvoller, aber uneitler szenischer Präsenz.

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© Teresa Holzer

Der Puls des Orchesters, das hier zum ersten Mal Wagner spielte, war gut auf den des Sängers abgestimmt – dass man aber ausgerechnet mit dem Lohengrin-Vorspiel begann, dessen ätherische Fragilität auch abgebrühte Musiker am liebsten auf später am Abend verschöben, barg ein unnötiges Risiko, und man fragt sich, ob ein Ensemble mit acht Geigen überhaupt ein Stück spielen muss, das ebenso viele Geigenstimmen verlangt! Wen kann es da wundern, dass ein Tremolo heraussticht, als komme es von einer schmachtenden Mandoline? Aber der mutige Anlauf verdient Respekt. Das Orchester spielte noch den „Einzug der Gäste“ aus dem zweiten „Tannhäuser“- und das Vorspiel zum dritten „Lohengrin“-Akt, die etwas leichtere, festliche Stimmung in die emotional gewichtige Auswahl mischten. Hervorzuheben ist in der Hinsicht auch die resche Moderation der Geigerin Katharina Kreuz, die mit Schmäh durchs Programm führte.

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©Klaus Billand

Dass Weinhappel nicht nur in Stimme, Statur und mimischem Ausdruck Format hat, sondern auch ein Ehrenmann ist, dem „treu berat’ner Verträge Runen“ (fast) heilig sind, mag man daran erkennen, dass er als letzten Überhang aus seiner lyrischen Phase ab 9. Juli in Klosterneuburg noch den Marcello in Puccinis „Bohème“ singen wird. Auf, auf, ihr Frauen (und Männer)! Befreundet euch mit einer Stimme, von der ihr noch viel hören werdet – und nehmt zugleich Abschied von einer Welt italischen Schmelzes und weicherer Virilität, die dieser Sänger nun rein fachmäßig hinter sich lässt.

Gregor Schima

 

 

 

 

 

 

 

© Klaus Billand

 

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