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GÖTTINGEN/ Händel-Festspiele: SIROE, RE DI PERSIA von G.F.Händel

16.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Händel-Festspiele in Göttingen: „Siroe, Re di Persia“ (Vorstellung: 15. 5. 2013)


Die Inszenierung in Göttingen bot neben einem desolaten Herrschaftshaus …

 
… auch erotische Szenen mit der Sopranistin Aleksandra Zamojska als Mätresse (Fotos: Theodoro da Silva)

 Die Händel-Festspiele in Göttingen – das dritte Festival zu Ehren des großen Komponisten neben Halle an der Saale und Karlsruhe – brachte eine eher selten gespielte Oper von Georg Friedrich Händel zur Aufführung: „Siroe, Re di Persia“ („Cyrus, König von Persien“). Dieses Werk hatte seine Uraufführung mit Starbesetzung – Cuzzoni, Bordoni, Senesino und Boschi – 1728 in London. Wiederaufnahmen der Oper gab es 1925 in Gera und 1962 in Halle. Im Deutschen Theater Göttingen, wo die diesjährigen Händel-Festspiele unter dem Motto „Orient“ stehen, wird sie in italienischer Sprache aufgeführt.

 Die Handlung der dreiaktigen Oper „Siroe, Re di Persia“, deren Libretto von Nicola Francesco Haym nach Pietro Metastasio verfasst wurde, in Kurzfassung: Siroe, der Sohn des Königs Cosroe, wird fälschlicherweise des Verrats beschuldigt. Als sich seine Unschuld herausstellt, versucht ihn sein Bruder Medardos zu ermorden. Dies wird jedoch von der Siroe liebenden Emira verhindert. Siroe befreit den von Aufrührern bedrängten Vater und vergibt ihm großmütig.

 Regisseur Immo Karaman verlegte die Handlung aus Persien in ein britisches Herrschaftshaus, wo das Teetrinken zur wichtigsten „Nebenbeschäftigung“ wird und dessen Wohnsitz wie nach einem Bombentreffer aussieht, wobei die Drehbühne immer wieder das nackte Mauerwerk zeigt. Wenn sich der Zuschauer darauf einlässt, ein psychologisches Familienintrigenspiel einer britischen Adelsfamilie im Gewand des 20. Jahrhunderts (Bühnenbild und Kostüme: Timo Dentler / Okarina Peter) zu erleben, wird ihm einiges geboten, zumal bei der Inszenierung auch der Humor nicht zu kurz kommt und einige Szenen großartig choreographiert sind.

 Der Regisseur baute in seine Inszenierung als stumme Figur ein Hausmädchen ein, das schon im ersten Akt eine große Szene hat, als es – durch fast alle Räume der Ruine tanzend – sein Entsetzen über das Geschehen auf akrobatische Weise kundtut. Die Tänzerin Bettina Fritsche, die an der John Cranko-Ballettschule ausgebildet wurde, tat dies mit artistischer Bravour, die vom Publikum mit Szenenapplaus und Bravo-Rufen verdientermaßen belohnt wurde (Choreographie: Fabian Posca).

 Für die hohe musikalische Qualität der Vorstellung sorgte neben dem ausgewogenen Sängerensemble vor allem das Festspiel-Orchester Göttingen unter der profunden Leitung des britischen Dirigenten Laurence Cummings, der die Händel-Partitur auf besondere Art zu zelebrieren schien, womit er den Sängerinnen und Sängern gewiss einen Dienst erwies.

 In der Titelrolle brillierte der mit ghanaischen Wurzeln in Nürnberg geborene Countertenor Yosemeh Adjei, dessen weiche, geschmeidige Stimme gepaart mit seiner gleichartigen Körpersprache einen starken Eindruck hinterließ. Dass sein jugendlich-athletischer Körper seine Wirkung auf Frauen nicht verfehlte, war auch nicht zu übersehen. Seinen missgünstigen Bruder Medarse gab der italienische Countertenor Antonio Giovannini stimmlich wie schauspielerisch der Rolle entsprechend mit aggressiv wirkendem Gesang und finsterer Mimik (das persische Schwert war ein kleiner Revolver).

 Die Rolle von Cosroe, dem Familienoberhaupt, war beim argentinischen Bass Lisandro Abadie in besten Händen, agierte er doch in herrschaftlichem Ton, der starrköpfig keine Widerrede duldete. Sein treuer Freund Arasse (in der Urfassung General der persischen Armee) wurde vom britischen Bariton Ross Ramgobin rollengerecht dargestellt.

 Die zwei weitere Hauptrollen neben Siroe blieben den Damen vorbehalten: In der Rolle der Laodice, Cosroes Mätresse, konnte die polnische Sopranistin Aleksandra Zamojska ihre erotische Ausstrahlung mit besonderem Raffinement ausspielen. Da sie eigentlich Cosroes Sohn liebt, versucht sie immer wieder, seine Liebe zu gewinnen. Doch Siroe ist Emira zugetan, die – als Mann (Idospe) verkleidet – den Tod ihres Vaters rächen will, der von Cosroe verschuldet wurde, und hofft, dazu ihren Geliebten gewinnen zu können! Diese Hosenrolle wird von der britischen Sopranistin Anna Dennis exzellent gespielt und gesungen.

 Am Schluss des Intrigenspiels vergeben alle allen und singen das Loblied auf die Liebe: „Süßeste Liebe, jede Seele, jedes Herz lädst du ein, sich zu freuen. Schatz des Lebens, unendliche Wonne, grenzenlose Lust.“ Aber sind diese Gesten der Vergebung ehrlich gemeint und echt? Oder doch nur gespielt? Es bleibt dem Publikum überlassen, das von Anfang an, wie viele Bravorufe nach einzelnen Szenen bewiesen, begeistert war.

 Udo Pacolt, Wien

 

 

 

 

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