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GÖTTINGEN/ Händel-Festspiele: FARAMONDO von G.F.Händel. Premiere

31.05.2014 | KRITIKEN, Oper

Opernrarität in Göttingen: „Faramondo“ von Georg Friedrich Händel (Premiere: 31. 5. 2014)

 Wie im Vorjahr brachten auch heuer die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen im Deutschen Theater eine Opernrarität zur Aufführung: „Faramondo“. Die Uraufführung dieser Oper in drei Akten, deren Libretto Apostolo Zeno verfasste, fand 1738 im King’s Theatre in London statt.

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In der Titelrolle bestach Emily Fons mit stimmlicher Brillanz und leidenschaftlichem Spiel (Foto: Internationale Händel-Festspiele Göttingen)

Die Handlung des nur selten gespielten Werks, das in Göttingen in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln gezeigt wurde, in kurzer Zusammenfassung: Der fränkische König Faramondo liebt Rosimonda, die Tochter seines Feindes Gustavo, des kimbrischen Königs. Gustavos Sohn Adolfo wiederum liebt Faramondos Schwester Clotilde. Es kommt zu Kämpfen, in die auch Gernando, der König der Schwaben, verwickelt wird. Im Verlauf der Handlung lässt Gustavo seinen Sohn in Ketten legen und verurteilt ihn und Clotilde zum Tod. Rosimonda wird entführt. Schwäbische Truppen bedrängen Gustavo, worauf Faramondo ihm unerkannt mit geschlossenem Visier zu Hilfe eilt. Faramondo bittet Gustavo, Adolfo mit Clotilde zu verheiraten und bietet seinen Opfertod an. Als Gustavo das Schwebt erhebt, hält Childerico ihn zurück. Schließlich löst sich alles in Wohlklang auf – und Freund und Feind  feiern den Triumph der Tugend über den Hass.

Regisseur Paul Curran verlegte die Handlung in die Jetztzeit, wobei sich der Gegensatz zwischen dem eleganten „höfischen“ Leben und dem kriegerischen Treiben im Laufe der Akte verwischt.  So beginnt die Oper in einem mondänen Spielsalon, in dem die Akteure in nobler Abendrobe (Bühnenbild und Kostüme: Gary McCann) gekleidet sind, während im nächsten Bild hässliche Gebäudefassaden die Bühne beherrschen, vor denen sich immer wieder kriegerische Szenen ereignen. Jede Person im Stück hat mehrmals einen Revolver in der Hand, mit dem sie herumfuchtelt oder auf jemanden zielt. Man darf es der Inszenierung bereits als positiv anrechnen, dass niemand erschossen wird! Trefflich die Personenführung des Regisseurs, die einen packenden Verlauf der drei Akte garantierte.

Mit herrlichen Stimmen, die alle Schwierigkeiten der Rollen meisterten, wartete das exzellente Sängerensemble auf. In der Titelrolle bestach die amerikanische Mezzosopranistin  Emily Fons sowohl stimmlich mit ihrer großen Bandbreite wie auch schauspielerisch durch ihr leidenschaftliches Temperament, das sie immer wieder auszuspielen verstand. Die Hosenrolle des Faramondo schien ihr auf den Leib geschrieben zu sein. Als Gegenspieler Gustavo setzte der norwegische Bassist Njål Sparbo sowohl seine starke Bühnenpräsenz wie seine oft gallig wirkende tiefe Stimme ein, die einen beinahe furchteinflößenden Charakter hatte.

Seine stolze Tochter Rosimonda wurde von der ukrainischen Mezzosopranistin Anna Starushkevych ausgezeichnet gespielt und gesungen, wobei sie ihre stärksten Szenen im dritten Akt hatte, als sie gegen ihren Vater um das Leben von Faramondo kämpfte. Mit ins Ohr gehendem Belcanto-Gesang begeisterte der niederländische Countertenor Maarten Engeltjes als ihr Bruder Adolfo das Publikum. Im Spiel etwas zurückhaltend, entzückte er mit seinem Gesang die Zuschauerinnen und Zuschauer, die nach jeder Arie ihre Bewunderung mit starkem Applaus und vielen Bravorufen zeigten. Ein besonderer Leckerbissen war sein Duett mit der irischen Sopranistin Anna Devin, die als Clotilde mehrmals zu leiden hatte. Mit wunderbarem Einklang ihrer Stimmen gestalteten die beiden ihr Liebesduett auch noch hinreißend, als sie – inzwischen gefangen genommen – kniend mit auf dem Rücken gefesselten Händen und einem schwarzen Sack über dem Kopf singen mussten.  

Ebenfalls gesanglich erstklassig und dazu noch humorvoll spielte der amerikanische Countertenor Christopher Lowrey die Rolle des Gernando, des Königs der Schwaben, der wie Faramondo in Gustavos Tochter Rosimonda verliebt ist, aber erfolglos bleibt. Als Trost blieb ihm der Duft ihres Slips, den er zu jeder passenden oder unpassenden Zeit an seine Nase hielt. Drei Damen in meiner Umgebung lachten sich die Seele aus dem Leib! 

In zwei kleineren Rollen ergänzten das hochkarätige Sängerensemble noch der britische Bariton Edward Grint als Tebaldo – er löst am Schluss durch sein Geständnis die Verwirrung um zwei vertauschte Kinder – und die weißrussische Sopranistin Iryna Dziashko in der Hosenrolle des Childerico, des rechtmäßigen Thronerben.

Das Festspiel-Orchester Göttingen wurde vom britischen Dirigenten Laurence Cummings geleitet, der zu den vielseitigsten Vertretern der historischen Aufführungspraxis gezählt wird. Der Dirigent und Cembalist ist seit 2012 musikalischer Chef des Orchesters, das wegen seines großen Farbenreichtums und seines federnden und sinnlichen Klangs geschätzt wird. Es wurde diesem Ruf auch bei der Premiere von „Faramondo“ gerecht und am Schluss der Vorstellung vom begeisterten Publikum, das auch mit Zwischenapplaus nicht gegeizt hatte, mit zahlreichen Bravi-Rufen frenetisch gefeiert.

Minutenlanger Beifall für das gesamte Sängerensemble, den Dirigenten und das Regie-Team, die sich alle immer wieder vor dem Vorhang verbeugen mussten.

Udo Pacolt

 

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