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GIOVANNI ALBERTO RISTORI: Soprankantaten, Oboenkonzert

12.06.2017 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

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GIOVANNI ALBERTO RISTORI: Soprankantaten, Oboenkonzert – Audax Records CD

Sensationell: María Savastano brilliert mit Musik eines wenig bekannten „Sachsen“

Die sächsischen Kurfürsten, allen voran August II, gleichzeitig polnischer König, und sein Thronfolger August III, führten das Musikleben in Dresden zu einer Hochblüte. Namen wie Johann David Heinichen, Johann Adolph Hasse oder Jan Dismas Zelenka sind für ihr diesem genius loci zuzuschreibendes vielfältiges Wirken und ihr originelles und in allen Musikgattungen fruchtbares künstlerisches Schaffen bereits allseits bekannt. Zu diesen allerersten sächsischen Meistern muss man spätestens nach Erscheinen dieser CD wohl auch Giovanni Alberto Ristori zählen, der als compositeur de la musique italienne fast über 40 Jahre lang (auch in verschiedenen anderen Funktionen wie Mitglied der Dresdner Hofkapelle oder Musiklehrer) im Dienst des sächsisch-polnischen Hofes stand.

Die Entstehung der drei Kantaten „Lavinia a Turno“, „Didone abbandonata“ und „Nice a Tirsi“ ist wohl der Musikbegeisterung der bayerischen Prinzessin Maria Antonia zu verdanken, die ab 1747 anlässlich der Heirat mit ihrem Cousin Friedrich Christian in Dresden im Kurprinzenpalais (heute Taschenbergpalais, Hotel Kempinski) Hof hielt. Ristori wurde für drei Jahre deren Hofstaat zugewiesen und schrieb in dieser Zeit die drei zitierten Kantaten. Aufführungen der „Sängerin“ Maria Antonia von Didone abbandonata am Hof sind bezeugt. Wenn man heute die beiden anspruchsvollen Arien der Kantate „Quante volte in dolci accenti“ (mit über 9 Minuten Länge) und „Contra di te sdegnati“ hört, kann über das vokale Können der Gattin des Kronprinzen nur gestaunt werden.

Auf dem neuen Album animiert die argentinische Sopranistin María Savastano mit luxuriös timbrierter Stimme, golden leuchtender Mittellage und virtuoser Agilität ausdrucksvoll die auf Vergils Epos Aeneis beruhenden Frauenschicksale der Dido und Lavinia. Besonders faszinierend singt Savastano die hochdramatischen Accompagnato-Rezitative. Beinahe könnte Savastano als Mezzo mit toller Höhe gelten, so selbstverständlich gehorchen auch tiefste Lagen der expressiven Gestaltungskunst der Sängerin.

Das Pariser Ensemble Diderot, dessen Kern vier Musiker um den Geiger und künstlerischen Leiter Johannes Pramsohler bilden, folgt nicht nur den frappanten Wechseln in der Dynamik und genauestens den minutiösen Tempoangaben, sondern praktiziert auch typisch barocke Spieltechniken wie „strascinato-Effekte“ (schnelle Bogenwechsel ganz nahe am Steg) oder Tutti tremoli. Die Tonqualität dieser 2016 im Gustav Mahler Saal in Toblach entstandenen Aufnahme ist ebenfalls großartig in ihrer lebendigen Tiefenstaffelung, plastischen Klangkontur und saftigen Direktheit.

Als Abschluss der CD erklingt das Oboenkonzert in Es-Dur. Dem spanischen Solisten Jon Olaberria, der als Solo-Oboist auch bei „Les Talents Lyriques“ (Christophe Rousset)und „Musicaeterna“ (Theodor Currentzis) mitwirkt, in seiner virtuosen Verspieltheit alle Finessen des Instruments offenbarenden Interpretation zu lauschen, macht große Freude.

Bis auf „Lavinia a Turno“ handelt es sich durchwegs um Weltersteinspielungen. Hoffentlich folgen dieser Pioniertat (einige wenige Aufnahmen etwa der Kammerduette oder der Oper „Le Fate“ sind im Katalog verfügbar) weitere Erkundungen von Ristoris reichem Schaffen. Viele Opern, Serenaden, Intermezzi, Kantaten und Kirchenmusikwerke harren der Wiederbelebung. Der Appetit ist auf jeden Fall geweckt!

 

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