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GIESSEN: KOMMILITONEN von Peter Maxwell-Davis

12.05.2013 | KRITIKEN, Oper

„Studentenoper“ in Gießen: „Kommilitonen“ von Peter Maxwell Davies (Vorstellung: 11. 5. 2013)


Foto: Stadttheater Gießen

 Die vor einigen Jahren von Peter Maxwell Davies komponierte Oper „Kommilitonen“ wurde im März 2011in London unter dem Titel „Young Blood“ uraufgeführt und von der amerikanischen Presse zur besten Musiktheater-Uraufführung des Jahres 2011 gekürt. Das Werk – über Studenten und für Studenten geschrieben –, dessen Libretto David Pountney verfasste, erzählt und verknüpft in drei Episoden die Geschichte studentischer Widerstandsbewegungen im 20. Jahrhundert.

 In der ersten Episode „Die Oxford-Revolution“ kämpft James Meredith als erster Farbiger, an der University of Mississippi studieren und promovieren zu dürfen. Schauplatz der zweiten Episode ist München, wo Sophie und Hans Scholl im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime ihr Leben opfern. Von der „Weißen Rose“ springt die letzte Episode in die Wirren der chinesischen Konterrevolution unter Mao Tse Tong. Unter dem Titel „Lied des Himmels“ schildert sie die unterschiedlichen Perspektiven der Studenten Wu und Zhou, die gezwungen wurden, ihre eigenen Eltern zu denunzieren.

 Die Deutsche Erstaufführung im Stadttheater Gießen (in deutscher, englischer, chinesischer und lateinischer Sprache mit deutschen Übertiteln) inszenierte Cathérine Miville, die Intendantin des Hauses, sehr realistisch und mit opulenten Bildern (Bühne: Lukas Noll, der mit Spiegeleffekten und Leuchtschriftparolen Stimmungen erzeugt, die Kostüme von Bernhard Niechotz sind vorwiegend in militärischen Grautönen gehalten ), wobei ein Teil der 22 Solopartien von Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt gesungen wurden. Im Hinblick auf die zurzeit in aller Welt ausgelöste Protestwelle – Arabischer Frühling, Occupy, Pussy Riot, Aufbegehren der indischen Frauen etc. – verlegte die Regisseurin den Spielort auf einen Platz irgendwo auf der Welt. Da die drei Episoden der Oper ineinander verschränkt sind, bildete sich eine Geschlossenheit des Werks, das aus diesem Grund besser ohne Pause aufgeführt werden sollte.

 Zu den drei musikalischen Stilen der Oper ist im Programmheft eine Notiz des Komponisten Peter Maxwell Davies abgedruckt, die es wert ist, zitiert zu werden: „Es gibt drei ineinander verschachtelte Geschichten, die drei verschiedene Arten von Musik erfordern. Deshalb musste ich einen amerikanischen Stil der späten 1950er und frühen 60er Jahre, einen deutschen Stil für die 1940er Jahre und chinesische Musik für die Zeit der Kulturrevolution erfinden. Im Verlauf der Oper verändern sich nach und nach die Konturen der musikalischen Wendungen, und in der letzten Szene fließen die drei Stile ineinander. Die Musik dieser Szene entstand ganz zu Beginn der Komposition und ist Ursprung und Ausgangspunkt des ganzen Werkes. Ein besonderes Merkmal des Librettos ist seine Intensität und immer wieder blitzt Humor auf: Für mich war das ein großer Antrieb, was sich hoffentlich in der Musik widerspiegelt.“

 Wenngleich manchmal durch die fortwährende Verschachtelung der Handlungsstränge, wobei die Sänger auch Demonstranten und Platzbesucher spielen, eine wahrscheinlich gewollte Irritation und dazu noch ein sprachliches Wirrwarr entsteht – in der ersten Szene wird nur Englisch gesungen, in den Szenen mit chinesischem Hintergrund ebenfalls, aber auch einige Sequenzen Chinesisch und die Episode der Weißen Rose wird auf Deutsch gesungen, allerdings auch Momente in Englisch –, kann man sagen, dass am Schluss große Oper gezeigt wurde, zumal die Hauptrollen durchwegs mit bewährten Kräften des Hauses besetzt waren.

 Der junge amerikanische Bariton Adrian Gans verkörperte in der Oxford Revolution ausgezeichnet die Rolle des James Meredith – sowohl in der Darstellung wie auch stimmlich! Exzellent besetzt waren das Geschwisterpaar Sophie und Hans Scholl mit der russischen Sopranistin Maria Chulkova und dem deutschen Bariton Tomi Wendt. Als Großinquisitor konnte der rumänische Bassbariton Calin-Valentin Cozma neuerlich seine ausgeprägte Bühnenpräsenz ausspielen.

 In der Episode Soar to Heaven waren die meisten Rollen mit Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt besetzt: Wu, der Sohn von Wu Tianshi, wurde von der italienischen Mezzosopranistin Sofia Pavone und Li, die Tochter von Wu Tianshi, von der koreanischen Sopranistin Bomi Lee gesungen. Deren Vater Wu Tianshi wurde sogar von einem waschechten Chinesen, dem Bassbariton Xiao-Feng Cai dargestellt. Sehr stimmkräftig präsentierte sich der Chor (verstärkt vom Kinder- und Jugendchor) des Stadttheaters, der besonders gefordert war, musste er doch Amerikaner, Deutsche und Chinesen auf der Bühne darstellen (Chorleitung: Jan Hoffmann).

 Das Philharmonische Orchester Gießen wurde von Herbert Gietzen mit großer Einfühlsamkeit geleitet, wodurch der Facettenreichtum der Musik zum Erklingen gebracht wurde. Neben der Einstudierung der Partitur des Komponisten – gemeinsam mit Michael Hofstetter – nahm der Dirigent auch mit der Regisseurin die Übersetzung des Werks ins Deutsche vor.

 Das Publikum honorierte die Leistungen aller Mitwirkenden mit großem Applaus und Bravo-Rufen für die Sänger des Geschwisterpaares Scholl und für den Dirigenten und sein Orchester.

 Udo Pacolt

 

 

 

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