Erfolgreiches Musical in Gießen:„Der Kuss der Spinnenfrau“ von John Kander und Fred Ebb
(Vorstellung: 2. 1. 2015)
Andrea M. Pagani (rechts als Molina) und Thomas Christ (als Valentin) in ihrer Gefängniszelle (Foto: Rolf K. Wegst)
Das Stadttheater Gießen, das seit Jahren immer wieder Opernraritäten und selten gespielte Musical im Spielplan hat, brachte nun das Musical „Der Kuss der Spinnenfrau“ von John Kander (Musik) und Fred Ebb (Text) nach dem gleichnamigen Roman von Manuel Puig auf die Bühne, dessen Uraufführung 1992 in London (mit 390 Vorstellungen) war. Im Jahr 1993 hatte das Musical am Broadway 904 Vorstellungen und noch im selben Jahr am Raimundtheater in Wien seine deutschsprachige Erstaufführung.
Die Handlung kurz zusammengefasst: Zwei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, sind Opfer eines südamerikanischen Terror-Regimes. Der homosexuelle Schaufensterdekorateur Molina und der marxistische Revolutionär Valentin teilen sich eine Gefängniszelle. Einziger Rettungsanker für sie ist ihre Phantasie: Kinofan Molina erzählt Valentin seine liebsten Kinofilme und träumt von den glamourösen Diven der damaligen Zeit, vor allem von Aurora, in die er als Kind verliebt war. Nach anfänglicher Ablehnung begeistert sich auch Valentin dafür. Es ist der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft. Mit der magischen Wirkung dieser Geschichten kämpfen sie gegen die grausame Wirklichkeit, zu der auch die Spinnenfrau und ihre tödlichen Küsse gehören. Doch die brutale Realität lässt sich nicht völlig ausklammern und holt die beiden bald wieder ein.
„Der Kuss der Spinnenfrau“ ist ein Musical mit ernstem Hintergrund, bei dem das Publikum mit Missachtung von Menschenrechten durch ein totalitäres Regime, mit Folter, unmenschlichen Bedingungen in einem Gefängnis und Diskriminierung von Homosexuellen konfrontiert wird.
Cathérine Miville, der Intendantin von Gießen, gelang eine packende, anrührende Inszenierung mit Tiefgang und mitreißenden Tanzszenen, wobei auch der Humor nicht zu kurz kam. Für die opulente Bühnenausstattung zeichnete Lukas Noll, für die trefflichen Kostüme José-Manuel Vazquez verantwortlich. Eine besondere Bedeutung kam der Tanzcompagnie Gießen zu, die mit ihren Tanzeinlagen das Publikum immer wieder zu begeistern wusste (Choreographie: Tarek Assam und Anthony Taylor).
Als Spinnenfrau brillierte Sophie Berner (Foto: Rolf K. Wegst)
Für die drei Hauptdarsteller konnte das Stadttheater Gießen mit erstklassig bewährten Musical-Darstellern aufwarten, die schon seit längerer Zeit als „Dreamteam“ bezeichnet werden. Andrea M. Pagani gelang es, die Rolle des Molina sowohl schauspielerisch wie auch stimmlich hervorragend zu gestalten – eine Meisterleistung, die nicht hoch genug bewertet werden kann. Ihm fast gleichwertig Thomas Christ als politischer Häftling Valentin. In der Titelrolle der Spinnenfrau brillierte die mit vielen Preisen ausgezeichnete Sophie Berner – sie gewann beim Bundesgesangswettbewerb den 1. Preis in der Kategorie Musical und den Gisela-May-Stiftungspreis für Chanson –, die auch als Aurora vom Publikum des Öfteren verdienten Szenenapplaus erhielt.
Aus dem großen Ensemble wären noch Petra Soltau als sadistisch agierende Gefängnisdirektorin und Michaela Wehrum als Molinas Mutter zu nennen.
Das Philharmonische Orchester Gießen schien unter der Leitung von Andreas Kowalewitz, der seit 2003 am Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz als Kapellmeister engagiert ist, bei den schmissigen Klängen des Musicals aufzublühen, agierte aber manchmal ein wenig zu laut. Warum der Dirigent den Szenenapplaus stets abwürgte, blieb unverständlich.
Am Schluss der Vorstellung tosender Beifall mit vielen Bravorufen für das „Dreamteam“ Sophie Berner, Andrea M. Pagani und Thomas Christ sowie lang anhaltender rhythmischer Applaus des begeisterten Publikums.
Udo Pacolt