GIACHES de WERT: DIVINE THEATRE – STILE ANTICO, harmonia mundi CD
Geistliche Motetten am Hof zu Mantua
„Gaudete in Domino semper: iterum dico gaudete“
Ein Antwerpener Flame in Italien und gerade dort, wo später Monteverdi (der unter de Wert als Geiger und Sänger fungierte) für musikhistorische Furore sorgen sollte. An der neuen Basilika Santa Barbara des Herzogs Guglielmo von Mantua müssen paradiesische Zustände geherrscht haben, als de Wert 1565 als maestro di cappella Posten bezog. Fürst Guglielmo Gonzaga, als Komponist selbst Schüler de Werts, war ein leidenschaftlicher Fürsprecher der Tridentinischen Kirchenmusikreform. Der Papst hatte dem musikaffinen Gonzaga zugestanden, in Santa Barbara eine eigene Liturgie begründen zu dürfen. Teile des Gottesdienstes konnten also in polyphonen Vertonungen gesungen werden, die sonst gesprochen oder psalmodierend vorgetragen wurden. Matthew O’Donovan schätzt das Ergebnis so ein: „Offenbar hat es de Wert wie kein anderer Komponist seiner Zeit verstanden, in seiner Kirchenmusik die Textverständlichkeit, die würdevolle Zurückhaltung und Prägnanz, wie sie vom Tridentiner Konzil gefordert wurden, mit Elementen der kraftvollen und grundlegend neuen Verfahren der Wortausdeutung und musikalischen Dramatisierung zu verbinden, die sich auf dem Gebiet der Madrigalkomposition gerade durchzusetzen begannen.“
Neben einem umfangreichen Madrigalschaffen waren es vor allem drei Motettensammlungen fünf- und sechsstimmiger Werke, die den Einfallsreichtum, die Kreativität und Originalität des polyphonen Kirchenmusikers de Wert bezeugen. In diesen späten Motetten zeigt der Komponist seine hohe Kunst des bildhaft-expressiven Textausdrucks, Seconda pratica genannt, ein Musikstil, der erst Jahrzehnte später dank Claudio Monteverdi zu voller Blüte gedieh. De Wert komponierte 55 Motetten. 13 Kostproben aus der zweiten und dritten Sammlung hat nun das Londoner a-capella Vokalensemble Stile Antico auf CD eingespielt. Renaissancemusik vom Feinsten, hoch virtuose Ensemble-Gesänge, wo Deklamation und das Durchmessen kontrapunktischer Geflechte, komplexe Rhythmisierung und eine am Bedeutungsgehalt der Worte orientierte Phrasierung zu einer höheren Einheit verschmelzen. Stile Antico legt hiermit die elfte CD bei harmonia mundi vor. Das Ensemble vermag dank der schlafwandlerischen Stilsicherheit, der präzisen Intonation und spielerisch perlender Verzierungen eine Lanze für einen im Verhältnis zur Qualität seines Schaffens noch unterschätzten und auf jeden Fall zu wenig bekannten Meister zu brechen. Am 13. September werden wir sehen, ob diese für den Gramophon Award für Frühe Musik nominierte CD tatsächlich Preisträger geworden ist. Verdient wäre er. Fazit: Hörvergnügen der Sonderklasse
Dr. Ingobert Waltenberger