Gert Weihsmann
ISCHGLER SCHNEE
Kriminalroman
350 Seiten, Verlag Gmeiner, 2021
Ein neuer Autorenname. Und ein Krimi, der von Anfang an sehr geschickt schon mit seinem Titel agiert. „Ischgl“ ist in Österreich ein Reizwort, das fast so zieht wie „Ibiza“. Debutautor Gert Weihsmann (im Hauptberuf On-Trade-Field-Manager eines großen Getränkekonzerns) überrascht in jeder Hinsicht. Denn er erzählt eigentlich keine zusammenhängende, fortlaufende Geschichte. Er bietet Brocken von Schicksalen.
Und das macht er dem Leser nicht leicht, denn er springt von einer Figur zur anderen, ohne immer genau zu definieren, wer da spricht (vieles ist in Ich-Form) und wo man sich gerade befindet. Manchmal in Ischgl, wo die Saison vorbereitet wird und das Personal langsam wieder eintrudelt. Keine armen, ausgebeuteten Leute, sondern Profis, die sich auskennen und die wissen, wie man die reichen Kunden nach allen Regeln der Kunst abzocken kann. Dafür steht die Kellnerin Lizzy, die sich auch noch in anderer Hinsicht betätigt und allem mit routiniertem Zynismus gegenüber steht.
Oft ist man aber auch in Frankreich. Man lernt beispielsweise „Jason“ kennen, das ist der Künstlername des Neunzehnjährigen, der eigentlich aus der Normandie kommt und der so schlank ist, wie es in seinem Vertrag als Model gefordert wird, ein Beruf, mit dem er ein Vermögen verdient. Unangenehm ist, wenn der Nachbar im Pariser Luxuswohnhaus ermordet wird, ein Callboy, dessen Kunde ausgerastet ist (später erfährt man sogar überrascht, wer der Täter war). Jason wird für ein Foto-Shooting nach Ischgl verpflichtet.
Von den relativ vielen anderen Personen, die man kennen lernt und deren ausführliche Reflexionen über alles und jedes nicht immer interessant sind, treffen einige zum Skifahren in Ischgl ein. Dort sind, wie man erfährt, eine Menge Leute eines unnatürlichen Gifttodes gestorben (Details über die Opfer erfährt man eigentlich nicht), weshalb Kommissar Harald Sellikovsky sehr wider Willen nach Tirol geschickt wird, weil er sich dort auskennt. Der Mörder ist dann wenigstens eine Überraschung.
Sonst wird man keinesfalls mit einem spannenden Krimi bedient, man kommt sich eher vor wie in einem experimentellen Roman, wo Psychogramme von seltsamen Typen gezeichnet werden. (Zusätzlich verwirrend, dass einzelne Passagen kursiv gedruckt sind, ohne dass man durchschaut, warum jeweils).
Und was den Titel vom Ischgler Schnee betrifft, der dann den Giftmörder bedeckt, so ist er ein Etikettenschwindel. Schließlich kam die Tiroler Nobel-Tourismus-Gemeinde doch zu unerwünschtem und äußerst negativem Medien-Ruhm, als man ihr vorwarf, durch leichtfertiges Verhalten in der Pandemie die Covid 19-Erreger weit verbreitet zu haben, auch bis tief in deutsche Lande hinein. Wer also „Ischgl“ in den Titel seines Romans nimmt, wirbt mit dieser Assoziation. Wenn das dann überhaupt nicht das Thema ist, hätte man jeden beliebigen Wintersport-Nobelort, wo Après Ski ohnedies das Wichtigste ist, nehmen können (es gibt ja genügend), ohne Erwartungen zu enttäuschen.
Renate Wagner