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Gerhard Jelinek: STERNSTUNDEN ÖSTERREICHS

23.11.2015 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

BuchCover Jelinek Sternstunden Österreichs~1

Gerhard Jelinek:
STERNSTUNDEN ÖSTERREICHS
Die helle Seite unserer Geschichte
320 Seiten, Amalthea Verlag, 2015

Den Begriff der „Sternstunden“ hat, Autor Gerhard Jelinek (Wissenschaftsjournalist beim ORF und zwischen Buchseiten) gesteht es im Vorwort gerne ein, Stefan Zweig mit seinen legendären „Sternstunden der Menschheit“ geprägt. Ganz so leicht ist damit nicht umzugehen, wenn man damit ein konkretes Datum meint, wo sich etwas zum Besseren geneigt hat. Oder man nimmt ein bestimmtes Ereignis, das sich über eine Zeit hinzog. Oder man erweitert es auf eine Entwicklung… Damit dieses Buch voll wird, muss der Autor auf alle diese Möglichkeiten zurückgreifen.

Natürlich gibt es genaue Daten, und das unzweideutig glücklichste für Österreich war wohl jener 15. Mai 1955, als der Staatsvertrag im Belvedere unterzeichnet wurde, die Siegermächte Österreich in seine neutrale Freiheit entließen und dem Land Teilung und ein DDR-Schicksal ersparten.

Ein genaues Datum gibt es auch zu Beginn des Buches: Da knieten am 22. Juli 1515 drei Kinder und ein 56jähriger Herr im Stephansdom und heirateten – der genialste Coup von Kaiser Maximilian I., seitdem er für sich selbst Burgund und für seinen Sohn Spanien „erheiratet“ hatte. Nun ehelichte seine neunjährige (!) Enkelin Maria den Erben von Böhmen und Ungarn, den um ein Jahr jüngeren Ludwig. Dessen Schwester Anna wurde von Maximilian „zur Sicherheit“ geheiratet – welcher seiner Enkel, ob Karl oder Ferdinand, ihr Gatte sein würde, stand noch nicht fest. Sollte keiner zur Verfügung stehen, würde der alte Herr selbst als Ehemann einspringen…

Es war ein verdammt riskantes Unternehmen, und „Felix Austria“ hatte mehr als Glück. Nicht nur, weil Ferdinand (er war es dann, der die Braut bekam) und Anna so glücklich wurden, wie es bei den arrangierten Hochzeiten in Herrscherhäusern so gut wie nie der Fall war. Sondern weil der junge Ludwig, gerade einmal 20jährig, in der Schlacht von Mohács fiel – und die Habsburger durch ihre Heiratspolitik die Jagiellonen beerbten, was ihnen die Gebiete im Osten sicherte… Eine Sternstunde für Habsburg, damals nicht zu erkennen, rückwärts als solche (nämlich als „Glücksfall“, wenn der Tod eines jungen Mannes ein solcher sein kann) zu beurteilen.

Mit den Babenbergern beginnt das Buch, mit jener Umwandlung von der Mark ins Herzogtum im Jahre 1156, die Herzog Heinrich Jasomirgott von Kaiser Friedrich Barbarossa begehrte, um sich seinen Verzicht auf Bayern (auf das er ohnedies kein Anrecht hatte!) abkaufen zu lassen. Immerhin begann damit das, was sich so nach und nach zu „Österreich“ zusammenstoppeln sollte, jedenfalls eine eigenständige Entwicklung dieses östlichen Teils deutscher Länder, was dann die Habsburger-Monarchie und dann, nach wildem Hin und Her im 20. Jahrhundert, die heutige Republik werden sollte (mit Sternstunde Staatsvertrag).

Dazwischen hat Gerhard Jelinek nun Ereignisse aus der österreichischen Geschichte gepackt, teils objektiv und teils auch ein paar subjektiv wichtige, wobei die Zweite Türkenbelagerung 1683 dem christlichen Abendland noch einen Schnaufer erlaubte (bis sich das Problem des Islam heute wieder stellt). Auch die Reformen von Joseph II. sind von überragender Wichtigkeit, dass Napoleon in Aspern geschlagen wurde (und die guten Österreicher mit dem Sieg nichts anfangen konnten), ist aus größerer Sicht wieder marginal. Dass der Wiener Kongress hingegen den Sklavenhandel abschaffte, wird gerne vergessen und war neben der Neuordnung Europas eine Großleistung.

Ob von allem, was Mozart tat, gerade die Aufführung seines „Requiems“ eine Sternstunde war, ist willkürlich – da könnte man die „Zauberflöte“ genau so nehmen. Dass „Stille Nacht“ in die Welt ging – sei’s drum, es als Sternstunde zu nehmen. Die Semmeringbahn (übrigens spielt Schnitzlers „Das weite Land“ nicht im Südbahnhotel am Semmering, wie hier behauptet, sondern am Völser Weiher in den Dolomiten!!!), die Freud’sche Traumdeutung, der Friedensnobelpreis für Bertha von Suttner, die Salzburger Festspiele – sicher Großereignisse für Österreich.

Dass Toni Sailer dreimal Olympisches Gold „er-skiete“, dass „The Sound of Music“ das Österreich-Bild der USA prägte und Udo Jürgens den Grand Prix de la Eurovision gewann … gewiß, auch Populärkultur gehört dazu, es geht ja nicht um Weltgeschichte, sondern um „helle“ Stunden für dieses Österreich, an das unsere Großväter glauben sollten – wie Leopold Figl ihnen so dringlich nahe legte.

Es ist ein Nachtkastlbuch, man nimmt sich dieses oder jenes Kapitel her, liest es leicht und lernt noch etwas.

Renate Wagner

 

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