Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

GERA: DIE FEUERSBRUNST von Joseph Haydn

06.04.2013 | KRITIKEN, Oper

Opernrarität in Gera: „Die Feuersbrunst“ von Joseph Haydn (Vorstellung: 5. 4. 2013)

 
Als Colombine bezauberte die Sopranistin Katie Bolding das Publikum (Foto: Stephan Walzl)

Die Bühnen der Stadt Gera, die seit Jahren immer wieder selten gespielte Werke in ihr Programm aufnehmen, zeigten diesmal auf der Bühne im Park die Oper „Die Feuersbrunst“ von Joseph Haydn. Von dem lange Zeit als verschollen geglaubten Werk – bei dem Brand auf Schloss Esterháza im Jahr
1779 wurde viel Notenmaterial von Haydn vernichtet – tauchte 1935 in einem Pariser Antiquariat eine Kopie auf. Da die Texte der Arien in der Partitur vorlagen, aber die gesprochenen Dialoge zwischen den Musiknummern fehlten, rekonstruierte in den 1960er Jahren der Musikwissenschaftler H. C. Robbins Landon in den USA das Werk und dichtete dazu neue Dialoge. Allerdings ist bis heute nicht vollständig bewiesen, ob die heiter-frivole „Feuersbrunst“ tatsächlich aus der Feder Joseph Haydns stammt. Landon ist sich hingegen sicher: „Keine von Haydns Opern klingt mehr nach ihm“.

 Die Ouvertüre wurde inzwischen als eine Komposition des Haydns-Schülers Ignaz Pleyel identifiziert. Für die aktuelle Aufführung in Gera wurde eine modernere Textfassung geschrieben, um eine bessere Grundlage für Situationskomik und temporeichen Witz zu bieten, wie im Programmheft festgehalten ist.

 Der Inhalt des Singspiels: Die beiden Freunde Hanswurst und Steckel haben ein Problem – dem einen fehlt die Frau, dem andern das Geld. Steckel muss dringend Geld auftreiben, denn von seinem verstorbenen Vater hat er nur Schulden und ein verpfändetes Haus geerbt. Um das Haus vom Gutsverwalter Odoardo zurückzukaufen, machen sich Steckel und Hanswurst auf die Suche nach einem geheimen Erbstück, einem Edelstein. Im Keller des Hauses treffen sie dabei auf den Geist von Steckels Vater und lassen vor Schreck die Laterne fallen. Das Haus geht in Flammen auf und brennt ab, wodurch sich immerhin auch die Schulden verringern. – Hanswurst versucht indessen, die geliebte Colombine für sich zu gewinnen, die sich allerdings eine bessere Partie mit dem galanten Adeligen Leander erhofft, der ihr mit schönen Kleidern und einer Einladung zum Schlossball den Hof macht. Doch bald muss sie feststellen, dass er ein Blender ist. Der eifersüchtige Hanswurst zahlt Colombine die Untreue mit einem verwirrenden Verkleidungsspiel heim: als Soldat, Adeliger, betrogene Frau und Bettelweib bringt er sie dazu, zu sich selbst zu finden und sich ihre Liebe zu ihm einzugestehen. Glückliches Ende!

 Sabine Schramm inszenierte das Werk als einen Mix von Hanswurstiade,  Commedia dell’ Arte und Opéra comique , wobei sie auch das bei Haydn-Opern beliebte Marionettentheater einbaute.  Dazu ein aufschlussreiches Zitat der Regisseurin aus einem im Programmheft abgedruckten Interview mit ihr: „Ich habe jeder Figur des Stücks einen Charakter der Commedia zugeordnet und die Sänger mit den Charaktereigenschaften der einzelnen Rollentypen konfrontiert. Diese Linien haben wir quasi als Subtext verfolgt, um dann darüber das Libretto der Oper zu legen. Dieses Übereinanderlegen hat erst die nötigen Reibungspunkte provoziert, sodass aus der eher einfachen Liebesgeschichte ein reizvolles Rollenspiel werden konnte: Aus der spannungsreichen Beziehung, ja ‚Freundschaft‘ zwischen den Figuren und ihren Commedia-Varianten konnten wir die der Inszenierung eigenen Spielformen entwickeln.“

 Auf jeden Fall gelang der Regisseurin eine flotte, humorvolle Inszenierung, zu der neben den engagiert spielenden Sängern auch die Puppenspieler Emilie Jedwab-Wroclawski, Lys Schubert und Cnaan Shahak auf köstlich-komische Art beitrugen. Für die Ausstattung der einfach, aber praktisch gebauten Bühne und der bunten, barocken Kostüme sowie für den Puppenbau zeichnete Jan Hofmann verantwortlich.

 Es machte dem gesamten Ensemble sichtlich Spaß und Freude, die Hanswurstiade mit Verve auszuspielen, wobei die Sänger dankenswerterweise nie in Klamauk verfielen. Als Hanswurst konnte Kai Wefer mit seiner enormen Bühnenausstrahlung und seiner kraftvollen, sonoren Baritonstimme das Publikum schneller für sich gewinnen als seine von ihm sosehr geliebte Colombine, die von der amerikanischen Sopranistin Katie Bolding mit köstlichem Mienenspiel und angenehm klingender, höhensicherer Stimme dargestellt wurde. Ihre innig gesungenen Arien waren ein Ohrenschmaus!

 Mit seiner urkomischen Rolle als Steckel konnte der Bariton Alexander Voigt durch sein pfiffiges Spiel immer wieder Lacherfolge beim Publikum verzeichnen. Den Gutsverwalter Odoardo und Vater von Colombine spielte der österreichische Bariton Johannes Beck eher als Bösewicht, während der junge niederländische Tenor Erik Slik den Schnösel und Blender Leander als verführerischen Feschak darstellte, dabei allerdings ein wenig zu stark outrierte. Als Geist machte der koreanische Tenor Bernardo Kim nicht nur stimmlich eine gute Figur.   

Mit enormer Stimmgewalt aus dem „Hintergrund“ überraschte der Opernchor, sang er doch von der letzte Reihe der Bühne am Park herab. Das auf Haydn gut eingestimmte Philharmonische Orchester Altenburg-Gera spielte oberhalb der Holzbühne, während sein musikalischer Leiter Jens Troester inmitten des Publikums auf der Zuschauertribüne stand und damit halbwegs auf Augenhöhe mit den Musikern das Orchester dirigierte.

 Das Publikum, das sich zwei Stunden lang hervorragend unterhalten hatte, zollte allen Mitwirkenden verdientermaßen großen Beifall.

 Udo Pacolt, Wien – München

 

Diese Seite drucken