Georg Markus
ZEITENSPRÜNGE
Meine Wege in die Vergangenheit
304 Seiten, Amalthea Signum Verlag, 2024
Geschichten ohne Ende
Man weiß nicht, wie viele Bücher es von Georg Markus schon gibt – gewissermaßen seit Menschengedenken erzählt der heute Mittsiebziger den Österreichern ihre Geschichte und die anderer Nationen auch. Ersbeginn mit Schauspieler-Biographien, dann mit solchem aus dem Umfeld der Habsburg-Welt (Schratt, Redl, Freud und seine Jagd nach Mary Vetseras Skelett ist unvergessen).
Vor allem hat er seine Spezialität in der Form der kleinen, pointierten Geschichte über große Leute gefunden. So liegt er mit seinen Büchern regelmäßig auf Geburtstags- und Weihnachttischen, weil man mit seiner Mischung aus Information und Unterhaltung nichts falsch machen kann. Und wenn man meint, das eine oder andere Thema bei ihm schon gelesen zu haben – was macht es schließlich aus?
Der neueste Band nennt sich „Zeitensprünge“, am Titelbild hüpft eine der Schwestern Wiesenthal (die im buch auch vorkommen) und „gesprungen“ wird wirklich, ein System ergibt sich nur aus Themenfeldern. Sonst ist der vom 18. Jahrhumdert bis vor kurzem unterwegs (seine chronikartigen Aufzeichnungen zum Tod der Queen liegen gerade knapp zweieinhalb Jahre zurück, und wir erfahren ihren Ausspruch, sie habe nichts in ihrem Leben zu bereuen). Vom Schauplatz Wien streift er in die Welt, holt Neues und Altes hervor – darunter die Frage, ob Shakespeare wirklich gelebt hat, wohl wissend, dass er sie nicht beantworten kann (das wird wohl im Nebel der Zeit, zurück ins 16. Jahrhundert, niemandem gelingen).
Markus wirbelt die Themen nur so durcheinander, von glanzvollen Wiener Warenhäusern und der wenig glanzvollen Antisemitismus-Vergangenheit der Stadt (die Geschichte ist nicht immer harmonisch, wie man weiß), landet von der letzten Wiener Greißlerin irgendwann im Weißen Haus in Washington.
Besonders mit den Toten hat er es diesmal, ergiebige Spaziergänge durch die Friedhöfe von Hietzing, Döbling und Währing, wo so viele Prominente ruhen, die alten Fragen nach dem Tod der Monroe und jenem Zeitungszaren Robert Maxwell, der 1991 vom Deck seiner 14 Millionen Pfund teuren Jacht verschwand – Unfall, Selbstmord oder hat jemand nachgeholfen? Markus führt den Leser durch eine wilde Welt der Spekulationen.
Natürlich fehlen zahlreiche Geschichten über die Habsburger nicht, das erwartet der Markus-Leser, aber es gibt auch anderes Spannende. Weiß wirklich jeder, der je eine Mozartkugel in der Hand hatte (den Inhalt aß und das goldene Papierl rundherum weggeworfen hat) wie Mozart aussah? Ja, es ist eine interessante Frage, denn Mozart sieht sich auf den hunderten Porträts, die es doch von ihm gibt, nicht unbedingt ähnlich. Als Kind war er hübsch, bis die Pocken sein Gesicht verunstaltete. Der Erwachsene galt nicht als schön, aber feurige Augen sprach man ihm zu, außerdem legte er Wert auf extrem gute Kleidung, was der Unansehnlichkeit seiner Erscheinung aufhalf. Dass Mozarts Schwager Joseph Lange (Gatte der von ihm einst geliebten Aloysia Weber) das treffendste Bild von ihm gemalt haben soll, wurde oft besprochen. Die Wissenschaft hat vielfach zu dem Mozart-Porträts geforscht, Markus bringt die Überlegungen einem weiten Publikum nahe.
Das Buch ist zu reichhaltig und vielfältig, um auch nur annähernd auf alle Namen einzugehen, die da durch die Seiten geistern – und für eine kurze Lesespanne lebendig werden.
Renate Wagner