Georg Gaugusch:
WER EINMAL WAR
Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800–1938
NAMENSREGISTER
Gesamtseitenzahl der fünf Bände: 6049
Amalthea Verlag, 2025
Vollendet das ewige Werk:
„Vollendet das ewige Werk“ ist ein Zitat aus Wagner „Rheingold“, aber wenn man weiß, dass viele Juden zu den leidenschaftlichsten Wagnerianern gehörten, mag es passen, um zu würdigen, was der Wiener Georg Gaugusch in den letzten Jahrzehnten geleistet hat. Durch seine unermüdliche Arbeit wurde das großbürgerliche Wiener Judentum der Monarchie – von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten – aus der Vergessenheit geholt. Vier voluminöse Bände liegen bereits vor.
Nun ist zusätzlich der höchst nötige Registerband erschienen, der den „Suchern“ unter den Lesern schnell auf die richtige Spur führt. Denn wie kommt man zu dem „Neumann“, den man sucht, wenn die Einträge in Band 2 zu Neumann allein schlechtweg zahllose Seiten umfassen? Von anderen unter den Juden verbreiteten Namen ganz zu schweigen.
In den bisherigen vier Bänden hat Gaugusch, die Namen alphabetisierend, Einzelmenschen mit ihren Daten erfasst – Lebenszeit, Eltern, Ehepartner, Kinder. Das bettet jedes Schicksal in seine Umwelt ein. Und da Juden – natürlich mit Ausnahmen – zum großen Teil unter sich blieben, webten sich hier wahre historische Teppiche um Menschen und Familien, um Beziehungen und Zusammengehöritkeiten. Es sind „nur“ biographische Fakten, aber daraus erstehen Leben.
Noch einmal – wie findet man ganz spezifisch einzelne Persönlichkeiten? Im Registerband nun wieder von A-Z, aber nun ganz gezielt, auch wenn sie (in familiären Zusammenhängen) öfter erscheinen. Band und Seite sind genau angegeben. Von Adler (spaltenweise) bis zu all den Zuckerkandls (man hätte nicht gedacht, dass es so viele von ihnen gab).
Da Gaugusch die Bände durchnummeriert hat, braucht er in Band 5 nun für die Namen bis zu Seite 5976 – fast sechstausend eng bedruckte Seiten für die Erinnerung an Wiens Judentum. Es folgt noch ein eindrucksvolles Literaturverzeichnis bis zu Seite 6049 – eine solche Fülle an Literatur, dass man sie in einem Menschenleben wohl kaum bewältigen kann. Aber man ist sicher, dass Georg Gaugusch jedes dieser Bücher, die weit über Wien hinaus in die Monarchie reichen, für seine Forschungen in der Hand gehabt hat… Abgesehen von den vielen jüdischen Friedhöfen im Raum der gesamten ehemaligen Monarchie, wo er und seine Gattin Marie-Theres Arnbom unermüdlich Grabsteine befragt haben.
Schmökert man unter den Namen, so fällt auf, dass vor allem bei den Vornamen von Damen oft ein zweiter in Klammer steht. Im Vorwort erklärt Gauguasch, wie die Namenswelt des 18., 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt war, nämlich „ von einer notorischen Unschärfe“, die mit der Sprachenvielfalt der Monarchie zu tun hatte. Das „Wiener“ Großbürgertum war ja vielfach aus den Kronländern zugezogen – oder wandte sich, oft aus geschäftlichen Gründen, wieder dorthin zurück, nach Budapest, Prag, Lemberg.
Gaugusch erklärt: „Bei den Behörden, staatlichen wie konfessionellen, war es gängige Praxis, die Vor- und Nachnamen in die jeweilige Landessprache zu übersetzen oder zumindest anzupassen, wodurch zum Beispiel aus einem ungarischen ‚Bela‘ in Wien ein ‚Adalbert‘ wurde.“ Und eine „Sara“ wurde in Budapest vielleicht zur Sidonie, aber wenn sie dann nach Prag zog, starb sie vielleicht unter dem Namen „Zdenka“… Das alles musste im Register berücksichtigt werden und macht die Reise durch die Namen, auch wenn sie ganz ohne Ziel, nur aus Interesse unternommen wird, noch spannender.
Vollendet das ewige Werk, denn hier kann nichts nachkommen, hier ändert sich nichts mehr. Das Judentum der Monarchie liegt auf den Friedhöfen (oder wurde in den Konzentrationslagern zu Asche verbrannt), aber die Erinnerung daran ist für alle Zeit zwischen Buchdeckeln aufbewahrt.
Renate Wagner