
Magdalena RENWART und Herbert LIPPERT (Foto Copyright Claudia Pieler)
GARS / Oper Burg Gars 2019
FIDELIO von Ludwig van Beethoven
Premiere Donnerstag 18.Juli 2019
Von P.Skorepa-OnlineMerker
Wer erinnert sich denn noch an die Zeiten, als in Wien ein Sommerloch an Opernaufführungen im Freien herrschte und diese „Ödnis“ mit mehr oder weniger „billig“ wirkenden, aber vom Publikum durch ihre musikalischen Qualitäten durchaus anerkannten und manchmal sogar regelrecht gestürmten Vorstellungen zum Erfolg getragen wurden. Dazu zählte im direkten Raum Wien die sogenannte „Opernwerkstatt“ und im Umland der Bundeshauptstadt der Steinbruch von St. Margarethen und ab Beginn der Neunzigerjahre die später als sogenannte „Opernair“ in Erscheinung tretende Burg Gars.
Die „Opernwerkstatt“ des Dr. Schlösser musste aber letztlich ohne richtigen, fixen Sitz und vor allem Aufführungsort zu haben 2011 aufgeben, St.Margarethen erodierte am Größenwahn seines Intendanten, musste mit finanziellen Infusionen wieder zum Leben erweckt werden, werkt aber jetzt mit entsprechend wattierter Grundlage großtönend weiter. Dafür sind aber auch inzwischen viele Events an Sommeropern in Schlössern, Heustadeln und Parkanlagen herangewachsen.
Und so bleibt bescheiden und fast ein wenig von christlicher Armut im Auftreten gekennzeichnet diese Bühne im Waldviertel übrig und ein wenig zu sehr an den Rand geschoben. Wo andere teure Events abfeiern, mit Feuerwerken Talmiglanz in die Augen der Sektschlürfer streuen, Riesenköpfe aus Seen wachsen lassen um den Leuten Aug und Ohr zu verstopfen, mit den Landesförderungen oder mit Förderern oder Sponsoren protzen, da wird in Gars wie vor dreißig Jahren zu Zeiten des fast schon vergessenen Intendanten Karel Drgac Oper mit geringen Mitteln gemacht.
Warum also, lieber Regisseur Stephan Bruckmeier, an jene dort oben in Gars, zwischen dunklen Wäldern und Tälern vom Publikum ja gar nicht erwartete Zugeständnisse an den Zeitgeist und an das Regietheater machen, warum Textänderungen die man eh nicht versteht und zeitgeistige Nebenhandlungen wie die Goldene Hochzeit von Leonore und Florestan einbauen. Dafür fehlt es dann an Zeit für die guten Einfälle bei der Personenführung. Da kommt es dann etwa zu so einer verpatzten Situierung Florestans während seiner großen Arie. Wenn er singt „Öd ist es um mich her“! warum muss er dann seitlich zwischen Orchester und Publikum optisch eingezwängt kauern? Nein, die Szenerie rutscht zu oft ab ins Laienspieltheaterhafte, anstatt stringente Führung zu zeigen. Gute Ideen sind nicht allein Sache des Geldes sondern auch der künstlerischen Phantasie.
Natürlich darf es an guten Parolen nicht fehlen – ich vermeide das Wort Indoktrinierung – da stellen aus den Gefängnisstäben die Gefangenen und deren Frauen einzelne Worte zusammen, die Menschenrechte betreffend. Das wäre vielleicht eine schöne Szene geworden mit diesen Stäben: Aber so ungeprobt und ungeschickt vorgeführt, hat es eher nur Lacher provoziert.
Ich nehme die Marzelline der Caroline Wenborne bei dem singenden Ensemble vor. Sie zeigte, wie man engagiert und beherzt in dieser Burgarena singen muss um stimmlich zur Geltung zu kommen. Bei der Partnerwahl lässt sie nichts anbrennen und nimmt den jeweiligen Wechsel mit Nachdruck wahr. Ihr Bühnenvater Paul Gay war in Gars bereits Spanischer König, mit dem gleichen Selbstbewusstsein verhaftete er höchstpersönlich und handgreiflich Don Pizarro, stimmlich war er mit baritonaler Milde eines Vaters ausgestattet. Wilfried Zelinka war als Gouverneur des Gefängnisses mit viel wohltönendem aber weniger mit furchterregendem Timbre unterwegs. Edel muss er sein und das war er in Erscheinung und Stimme: Jasushi Hirano als Don Fernando.
Dass er sich die Arena der Burg erst erobern muss, war zu hören: schönstimmig aber hörbar noch vorsichtig phrasierend Herbert Lippert als Florestan. Und für die Leonore der Magdalena Renwart gilt dasselbe: Sie vermeidet es, zu forcieren, natürlich auf Kosten jenes dramatischen Abplombs, der bei den aufwühlenden und wirkungsvollen Teilen der Partie ganz einfach dazugehören muss.
Ian Spinetti, der junge Brasilianer als Operndebutant in der Rolle des Jaquino und Duje Stanisic als Erster Gefangener ergänzten gut.
Ein Sonderlob für Johannes Wildner, er hat die sicherlich mühevolle Arbeit der Einstudierung vollbracht, mühevoll vor allem wegen des stark jung durchsetzten Orchesters und des Chores, die volle Pracht sollte sich mit der fortschreitenden Routine einstellen.
Peter Skorepa
OnlineMerker