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GARS / Burgruine: Mozarts DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

Es geht wohl anders, als du meinst!

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Sooyeon Lee (Konstanze) und Siyabonga Maqungo (Belmonte), dazwischen einer der Denk-Brüder. Alle Fotos: Manfred A. Schmid. Anmerkung: Es gibt wunderbare Pressefotos. Aus Aktualitätsgründen und zur Dokumentation der besonderen Umstände werden aber Aufnahmen per Handy verwendet.

GARS / Burgruine: Mozarts DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL

24. Juli 2021

Von Manfred A. Schmid

In seinen Geleitworten im Programmheft wünscht Intendant Johannes Wildner dem Publikum „einen eindrucksvollen Opernabend“, nachdem er zuvor schon Joseph Freiherr von Eichendorffs Einsicht, „Es geht anders, als du meinst,“ zitiert hat. Wie wahr! Nach der Pause erweist sich nämlich Wildners Idee, angesichts möglicher Corona-Einschränkungen die Inszenierung von Mozarts Entführung mit einem auf sechs Instrumente reduzierten Orchester und ohne Chor anzugehen, als ebenso unverhoffter wie effizienter Rettungsanker, dem es zu verdanken ist, dass die Vorstellung nach der Pause, trotz starken Regens, fortgesetzt werden kann. Die – mit je einer Ausnahme – jungen Sängerinnen und Sänger und die sechs Musiker, darunter Johannes Wildner auf der Geige (als eine der Ausnahmen), scheuen sich nicht, auf dem Sandboden unter der Tribüne, hautnah umringt vom begeistert ausharrenden und meist stehenden Publikum, die Aufführung mit ungebrochener Spiellaune und größtem Einsatz zu Ende zu bringen.

Fast zu Ende zu bringen: Fünf Minuten vor Schluss muss die Feuerwehr – wegen Blitzeinschlagsgefahr – den Abbruch veranlassen. Es sei wohl das erste Mal, bemerkt ein ob der Leistung seines Teams sichtlich gerührter Intendant nach der Vorstellung gegenüber dem Rezensenten, dass Mozarts Die Entführung aus dem Serail mit einem Septakkord (Dissonanz!) ausklingen sollte. Das dankbare Publikum weiß das improvisatorische Engagement des singenden und musizierenden Ensembles jedenfalls zu schätzen und spendet begeisterten Applaus für einen denkwürdigen Opernabend, den man nicht so leicht vergessen wird. Wieder einmal bekommt man vor Augen – und Ohren – geführt, was zum Kunstbetrieb essenziell dazugehört und was ihn so einzigartig macht. Die Überzeugung: The show must go on und There is no business like show business!

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Sooyeon Lee (Konstanze), Siyabonga Maqungo (Belmonte), Stephan Paryla-Raky (Mitte, Selim Bassa), Jacques-Greg Belobo (Osmin) sowie Karl und Leopold Denk.

Ausnahmesituationen können inspirierend sein und mobilisieren – wie man miterleben durfte – ungeahnte Kräfte. Doch auch der von äußeren Einflüssen nicht betroffene erste Teil, der auf der gewohnten Bühne vor der malerischen Ruine der Burg Gars abläuft, verdient es, entsprechend gewürdigt zu werden. Da ist zunächst einmal die von Tristan Schulze geschickt auf ein Streichquintett plus Akkordeon eingedampfte Musik Mozarts. Die ungewöhnliche Besetzung erinnert an die legendären, von Arnold Schönberg initiierten Konzertveranstaltungen der 2. Wiener Schule, wo bei den Bearbeitungen oft ein Harmonium zum Einsatz kam, und besteht die Belastungsprobe überraschend gut. Die Regie der jungen Lisa Padouvas, die auch für Bühnenbild und Kostüme sowie für die pointierte Dialogfassung verantwortlich zeichnet, überzeugt durch feine Personenführung und wirkungsvoll gesetzte komödiantische Akzente, wenn etwa der störrische Osmin von der schnippischen Blonde ruckzuck in einen Teppich eingerollt und außer Gefecht gesetzt wird. Statt des Chores, der als Hofstaat Selim Bassas vor allem dessen Machtfülle repräsentiert, kommen mit Karl und Leopold Denk zwei Urgesteine der Garser Opernfestspiele zum Einsatz, ohne die etwas fehlen würde.

Gesungen und gespielt wird vorzüglich. Die koreanische Sopranistin Sooyeon Lee setzt als Konstanze helle, unangestrengt perlende Koloraturen ein und verfügt über eine solide Mittellage. Nicht ganz so überzeugen kann sie in den tiefen Tönen. Siyabonga Maqungo ist ein guter Belmonte. Dass er ein feiner Mozart-Tenor ist, konnte man in Gars bereits 2017 bei seinem Debüt als Tamino feststellen. Das hat er nun erneut eindrucksvoll bestätigt.  Mit verschmitztem Humor ausgestattet, ist er als Ruhepol der Mittelpunk des turbulenten Geschehens, als nach der Pause unter geänderten Rahmenbedingungen unverdrossen und einfallsreich weitergespielt wird.

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Das vom Dargebotenen unter der Zuschauertribüne in Bann geschlagene Publikum.

Als Blonde bezaubert die entzückende Tamara Icanis das Publikum. Wie sie sich in der schwierigen Lage angesichts der Nachstellungen Osmins bewährt und ihn um den Finger wickelt, ist überaus komisch. Ihr frischer Sopran harmoniert wunderbar mit ihrer fröhlichen, lebenslustigen Wesensart. Pedrillo, ihr Verehrer, ist bei Ian Spinettti bestens aufgehoben. Ein angenehm klingender Tenor, der auch schauspielerisch viel zu bieten hat.

 Ungemein sympathisch sind sie im Übrigen alle und kommen beim Publikum bestens an. Das gilt auch für den Bass Jacques-Greg Belobo, der mit seinem darstellerischen Talent punkten kann. Gesanglich fällt er etwas ab. Es fehlt ihm stimmlich an der für diese Rolle so wichtigen Tiefenlage und an Durchschlagskraft.

Der Bassa Selim von Stephan Paryla-Raky ist eine sehr wienerische Ausgabe des orientalischen Herrschers mit spanischen Wurzeln. Die majestätische Würde des absoluten Despoten, der als Anhänger der Aufklärung stets damit kämpft, seine Gelüste und Leidenschaften unter Kontrolle zu halten, strahlt er jedenfalls nicht aus. Er wirkt vielmehr wie ein Bademeister aus Ottakring, der sich aus einem Nestroy-Stück in diese Aufführung verirrt hat. Wenn er Strenge und Macht ausspielen will, kippt das manchmal in das unfreiwillig Komische.

Mit dieser Aufführung bestätigt die Oper Gars – unter speziell herausfordernden Bedingungen –  jedenfalls ihren guten Ruf auf beeindruckende Weise. Bewährungsprobe mit Bravour überstanden. Und für nächstes Jahr gilt hoffentlich: Back To Normal.

 

 

 

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