VERDI UND DER „HERR DER RINGE“: DON CARLO-ALS PACKENDES OPERN-SPEKTAKEL (17.Juli 2015)
Nora Sourouzian. Foto: Andreas J. Hirsch
Die Rahmenbedingungen waren diesmal optimal. Ein milder Sommerabend mit 26 Grad gegen Mitternacht – dem Ende der Vorstellung. Und gegeben wurde eines der Meisterwerke von Giuseppe Verdi – Don Carlo in der vieraktigen, (leicht gekürzten) italienischen Version aus dem Jahr 1884. Das Duo Rudolf Berger – Johannes Wildner – seit dem Vorjahr die Leiter der Garser Burg-Spiele – wollte es offenbar wissen. Und auf das Ergebnis können beide Herren stolz sein.
Paul Gay, Alexandra Reinprecht. Foto: Andreas J. Hirsch
Don Carlo ist musikalisch hochkarätig und bietet eine Inszenierung von Thilo Reinhardt, in der ganz auf die Wirkung der Babenberger Ruine gesetzt wird. Nur die Kostüme (Luca Dall’Alpi) liefern historische Bezüge. Aber die Hauptwirkung geht von der Musik aus: Johannes Wildner schafft es über weite Strecken, aus dem Orchester der Oper Burg Gars echte Verdi-Klänge hervorzuzaubern. Und die Besetzung, die ja ohne jede technische Verstärkung auskommt, ist nicht nur für Gars spektakulär. Da gibt es etwa eine ideale Eboli : die Franko-Kanadierin mit armenischen Vorfahren Nora Sourouzian hat die Leichtigkeit für den Beginn und die Dramatik für die große Arie. Ihre Wechselbäder an Gefühlen gehen wirklich unter die Haut. Ihr nahe kommt der Posa des US-Amerikaners David Pershall. Der junge Bariton gehört zur „Talenteschmiede“ von Dominique Mayer an der Wiener Staatsoper. Und nützte die Chance von Gars. Sein Optimismus, sein Widerstandsgeist waren „ansteckend“. Und der Kampf zwischen Staat und Kirche am Hofe von Karl V. und Philippp II. war plötzlich tagesaktuell. Schon damals am Ende des 16.Jahrhunderts entstand die Globalisierung und der „Herr der Ringe“ im Escorial erinnerte an Alberichs Fluch im Rheingold. Ideal vom Typus war auch der Titelheld. Oscar Marin ist ein spanischer Spinto-Tenor, der von Montserrat Caballé entdeckt wurde. Leider geraten manche Passagen zu „kopfig“, haben zu wenig „Körperlichkeit“. Aber im Duett mit seiner Stiefmutter, mit der er einst verlobt war, oder im „Ohrwurm“-Schlager des Duetts Carlo-Posa ist er dann wieder perfekt. Ausgezeichnet schlug sich auch Alexandra Reinprecht als Elisabetta. Die Rolle ist undankbar, technisch schwierig (Quartett) und die große Arie liegt einfach zu tief. Die Arietta über den Verweis der Hofdame durch Philipp II. fiel gar den Kürzungen zum Opfer. Aber nehmt alles nur in allem. Großartig! Das Urteil gilt auch für Philipp II.-Paul Gay – und den Groß-Inquisitor Bernd Hofmann aus Bayern. Der Bass aus Frankreich braucht eine Weile bis er „eingesungen“ ist. Spätestens ab der großen Arie und vor allem in der Szene mit dem Großinquisitor ist er in Fahrt. Seine verzweifelte Machtlüsternheit strahlte Eiseskälte trotz der Rekord-Temperaturen aus. Eine himmlische Stimme parallel zur Ketzerverbrennung lieferte Aurora Perry, Krzysztof Borysiewicz war ein etwas überforderte Mönch und Max von Lütgendorff ein etwas unbeholfener, jedoch sympathischer Lerma. Der Chor der Burg Gars war übrigens dann und wann tatsächlich nur ein Laienchor.
Dennoch traut man sich in Gars im nächsten Sommer Otello – wieder von Verdi – zu. Und die stimmungsvollen Installationen von Asim Dzino werden noch einmal eingesetzt. Und das ideale Wetter sollte ebenfalls rechtzeitig geordert werden!
Peter Dusek