Gabriele Lukacs
GEHEIMNISVOLLES WIEN
MAGISCHE SIEGEL, VERBORGENE ZEICHEN UND RÄTSELHAFTE CODES
208 Seiten, Styria Verlag, 2022
Alles, was mit Mystik und Unerklärbarem zu tun hat, erfreut sich großer Beliebtheit. Bei genauem Hinblicken stößt man überall auf Unerklärliches – natürlich auch in einer so alten Stadt wie Wien. Gabriele Lukacs ist hier Fremdenführerin, bekannt für ihre „Mystery Tours“. Was wohl in vielen, vielen Jahren erwandert, erschaut und in alten Büchern recherchiert wurde, legt sie nun in „Geheimnisvolles Wien“ vor. Man bekommt alles, was der Untertitel verspricht: „Magische Siegel, verbotene Zeichen und rätselhafte Codes“.
Nun wurde mit Mystik und Zahlenspielen stets operiert, man denke nur daran, was an den Maßen der „Großen Pyramide“ in Gizeh herumgerechnet und –geheimnist wurde. Aber die Autorin findet Ähnliches auch in Wien, wobei sie sich in manchen Überlegungen den Geomanten nähert, wenn sie etwa über Pläne von gewissen Orten geometrische Figuren legt die angeblich von tieferer Bedeutung sind (etwa ein Energiepentagramn über Schönbrunn) …
Man muss einem Autor nicht in alle Überlegungen gläubig folgen, bewundert aber ehrlich, wenn es zu Objekten, an denen man sonst vorbei geht, hoch interessante Interpretationen gibt, die unendlich viel Wissen hervorholen – etwa das Haus in der Rauhensteingasse 3, wo sich Hinweise bis zum Salomonischen Tempel finden lassen – wenn man es weiß.
Und man liest auch vages Bekanntes nach, etwa über die Geheimnisse der Wiener Steinmetze (ausgehend von der „Fenstergucker“-Figur im Stephansdom). Und auch die Überlegungen, ob die Achatschale in der Schatzkammer wirklich mit dem Gral zu tun hat, sind immer wieder interessant, auch wenn natürlich zugegeben werden muss, dass man es schlechterdings nicht weiß…
Dennoch: Die Autorin weiß über die Maßen viel zu ihrem Thema. wobei man ihr besonders gerne folgt, wenn sie Geheimnisvolles über Menschen aufdeckt. Der bemerkenswerte „Rudolf der Stifter“, der in den nicht einmal 26 Lebensjahren, die ihm gegönnt waren, so viel initiiert und erreicht hat, hat sich nicht nur in Stein als Gründer des Stephansdoms verewigt, sondern schrieb selbst auch in einer von ihm erfundenen Geheimschrift. Dass er im übrigen „Rudolf der Fälscher“ hätte heißen können, hält die Autorin fest: „Er fälschte Dokumente, wo er nur konnte.“
Mit Geheimschriften gab sich auch ein spätrer Habsburger ab, der sich so intelligent über vieles den Kopf zerbrach, nämlich Kaiser Maximilian I. Er hat übrigens die Erkenntnis niedergelegt: „Wer nicht versteht zu täuschen, versteht nicht zu regieren.“ Wenn man sich nicht irrt, halten sich Politiker bis zum heutigen Tag an diese Erkenntnis… Und wenn man bei den Habsburgern bleibt: Dass Maria Theresia das „Geheimnis“ der Vampire gelöst wissen wollte, ist bekannt, dass die erwünschte rein rationale Erklärung aber nicht gebracht werden konnte, auch. Also versteckte man das unerwünschte Ergebnis – auch eine Möglichkeit, die sich bis heute in der Politik hält.
Folgt man dem Buch, so tritt man in eine Welt von Geheimcodes, von denen die Autorin den einen oder anderen entschlüsseln kann, Man geht zu den mysteriösesten Orten der Stadt, dem Narrenturm oder dem Neugebäude, sowie zu bekannten wie Schlössern, Kirchen, Häusern, Kellern. Man kann sich in die aufgeworfenen Geheimnisse vertiefen wie fast in einen Krimi.
Zudem hat man endlich einmal ein Buch in der Hand, an dem nicht – wie so oft in letzter Zeit zu beobachten – bis zur Selbstvernichtung gespart wurde. Das Papier ist hochwertig, mit dem Effekt, dass die Farbfotos zu bester Geltung kommen, nicht nur die vielen ganzseitigen, die man sich geleistet hat, sondern auch kleinere mit Detailansichten, die den Blick auf oft Übersehenes lenken. Fotos von heute mischen sich mit historischen Dokumenten. Ein Vergnügen.
Am Ende hat der Leser nur zwei Möglichkeiten: Entweder er schlendert mit diesen Buch in der Hand durch Wien und sucht Dinge, die er bisher nicht gesehen und gewusst hat – oder er schließt sich einer „Mystery Tour“ an. Am besten beides.
Renate Wagner