Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Gabriele Hasmann: SÜNDIGES WIEN

17.03.2023 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buch sündiges wien x~1

Gabriele Hasmann
SÜNDIGES WIEN:
SKANDALE, LUST UND LASTER
192 Seiten, Carl Ueberreuter Verlag; 2023

Wien war sicher nicht „sündiger“ als andere Großstädte, aber blickt man in die Geschichte, so lässt sich mancherlei kultur- und lokalhistorisch Interessantes erzählen. Autorin Gabriele Hasmann, an sich bekannt für Mystisches und Esoterisches, fasst das Thema in dem Buch „Sündiges Wien“ vielschichtig zusammen, wobei der Teil über die Stadtgeschichte der Stadt wohl der interessanteste ist.

Im Zentrum der Betrachtung steht vor allem die käufliche Liebe, also die Prostitution, die es in ganz alten Zeiten bei den Kelten nicht geben musste, denn da trieb es angeblich jeder mit jedem, das war so Sitte. In den Römerlagern von Vindobona oder Carnuntum hatten die Dirnen ihren festen Platz für die dort lebenden Legionäre. Problematischer wurde es, als die katholische Kirche meinte, ihren Schäflein Keuschheit bzw. ausschließlich ehelichen Sex verordnen zu wollen, was absolut nie klappte.

Die Stellung der Prostituierten hing von dem Wohlwollen bzw. der Missbilligung des jeweiligen Herrschers ab. Einigermaßen erschütternd ist es, wie brutal zu manchen Zeiten mit den Außenseitern der Gesellschaft umgegangen wurde – Folter und Tod waren da durchaus möglich: „Noch im 18. Jahrhundert wurden nicht nur Vergewaltigung, Inzest, Sodomie und Pädophilie mit dem Tod bestraft, sondern man hat auch Sünder, die Lustverbrechen wie Onanie oder homosexuellen Geschlechtsverkehr begingen, hingerichtet.“ Da ist dann Schluß mit lustig.

Grundsätzlich kann die Autorin aber nachzeichnen, dass die sexuelle Subkultur in so gut wie allen Zeiten ihren wichtigen Anteil am Wiener Leben hatte – unter der Decke gewissermaßen, aber dort umso heftiger. Und man erfährt auch witzige Details – bei den Römern soll es – im heutigen Vergleich – wie in Swingerclubs zugegangen sein… Herzog Rudolf IV., der ehrenwerte Stifter der Wiener Universität, hat nicht nur viel für das Geistesleben der Stadt, sondern auch für die Bordsteindamen getan, denn die fanden in den Studenten unerschöpflichen Kunden-Nachwuchs…

Wenig ergiebig, weil bereits bis zum Letzten ausgeschöpft, ist der Teil über das Sexleben der Habsburger – von Franz Stephan von Lothringen bis zu Franz Josef, diese Geschichten kennt man alle. Die Doppelmoral der Herrscher und überhaupt der Mächtigen war wohl überall ein Bestandteil des täglichen Lebens. Und das Kapitel über die  Wiener Unterwelt ist teilweise eine Wiederholung – die Autorin selbst hat schon ein Buch darüber geschrieben.

Lobenswert ist der Versuch, das Thema kulturgeschichtlich allumfassend zu behandeln, also auch erotische Kunst und Fotografie und Film, erotische Literatur und den Anteil der Presse mit einzubeziehen. Wienerisch topographisch wird es mit der Aufzählung fragwürdiger Adressen (nur das „Hotel Oriental“ gibt es unerschütterlich immer noch).

Dennoch gibt es Ärgerliches in dem Buch. Schlampereien  (Rudolf I. war König, nicht Kaiser, und sicher hat sich nicht die junge „Alma Mahler-Werfel“, sondern die junge Alma Schindler über Klimt alteriert), Seltsames (was hat der Skandal um das Loos-Haus mit dem „sündigen“ Wien zu tun?) und schlechtweg Falsches, das wirklich nicht sein dürfte. Arthur Schnitzler, der nie mit einem süßen Mädel „zusammen gelebt“ hat, hat seinen militärischen Rang nicht wegen des Schauspiels „Liebelei“, sondern wie weitreichend bekannt wegen seiner Novelle „Leutnant Gustl“ verloren. Und das sind nicht die einzigen Fälle, wo schlampig recherchiert oder auch formuliert wurde.

Dennoch – es ist ein Übersichts-Buch für alle, die sich ein bisschen in der schmutzigen Vergangenheit umtun wollen und es nicht zu genau nehmen. Sex sells, das wird sich gewiß auch hier bewahrheiten.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken