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FÜSSEN: 450 JAHRE LAUTENBAU

24.07.2012 | Ausstellungen, KRITIKEN

Füssen feiert 450 Jahre Lautenbau und setzt auf Musik, 24.07.2012
von Ursula Wiegand


Füssen, ehemaliges Benediktinerkloster am Lech. Foto: Ursula Wiegand

Füssen ist ein hübsches, kulturreiches Städtchen. Das Hohe Schloss mit seinem ausgemalten Innenhof und die Rokokofassade der Heilig-Geist-Spitalkirche sind wahre Hingucker. Das ist auch der Füssener Totentanz von Jakob Hiebeler aus dem Jahr 1602 in der Annakapelle.
Musikfans zieht es jedoch in das Museum der Stadt Füssen, untergebracht im ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang mit seiner schönen Barockbibliothek und dem Kaisersaal, der für Konzerte genutzt wird.


Füssen, Barockbibliothek. Foto: Ursula Wiegand

Diese im 9. Jahrhundert gegründete Abtei präsentiert sich seit 1726 als mächtiger Barockbau. Neben der Barockbibliothek und dem Kaisersaal fasziniert vor allem die Dauerausstellung wertvoller historischer Saiteninstrumente im Kreuzgang.


Füssen, Museum, historische Saiteninstrumente. Foto: Ursula Wiegand

Füssen feiert in diesem Jahr 450 Jahre Lautenbau, wurde dort doch 1562 die erste Lautenbauerzunft Europas gegründet. Doch bereits 1436 hatte der Instrumentenbau begonnen und wurde nun durch die Zunft reglementiert. Viele Instrumentenmacher zogen fort nach Paris, Prag, Venedig und Rom.
In der Barockzeit arbeiteten allein in Wien 60 Geigenbauer aus dem Allgäu. Der berühmteste war der Füssener Franz Geißenhof (1753-1821), der sich Cremona zum Vorbild nahm und „Wiener Stradivari“ genannt wurde. Strauss Vater und Sohn spielten auf seinen Geigen. Füssen selbst verpasste den neuen Trend. 1835 gab der letzte Geigenbauer, Joseph Alois Stoß, seine brotlos gewordene Kunst auf.

Wiederbelebung der Tradition durch Piere Chaubert

Doch 1982 brachte der Schweizer Geigenbaumeister Pierre Chaubert die Wende. Nach der Ausbildung in Mittenwald, nach 3 Jahren als Geselle und gleich nach der Meisterprüfung eröffnete er eine Werkstatt in Füssen und hatte alsbald Erfolg.
Chaubert baut Geigen, Bratschen und Celli, nicht mehr als 4-5 Stück pro Jahr. 190 Stunden braucht er für eine Geige. „Die kostet dann 16.000 Euro,“ sagt er beim Interview. Eine Bratsche stellt sich auf 17.000 Euro, ein Cello auf 25.000 Euro.


Füssen, Geigenbaumeister Pierre Chaubert. Foto: Ursula Wiegand

Er baut seine Instrumente in nur einer Preisklasse, aber „bestmöglich“. Musikstudenten, Amateur- und Orchestermusiker sind seine Kunden. Spielt er selbst Geige? „Nur ein ganz klein bisschen,“ lächelt er. Wesentlich wäre, das Ohr zu schulen. „Ich trimme die Geige auf den Musiker,“ betont er.
Überdies hat er Geigen und Celli auf Barock zurückgebaut, sich jedoch nicht darauf spezialisiert. Contrabässe fertigt er nicht, auch keine Kindergeigen. Die kauft er in Ostasien. In seiner Werkstatt werden sie „spieltechnisch hergerichtet“ und bekommen gute Saiten. Besonders wichtig sei der Stimmstock. „Der ist nur eingeklemmt und muss perfekt sitzen,“ erklärt der Experte. Die Kindergeigen leiht er aus oder verkauft sie ab 500 Euro.
Für den Geigenbau ist das Holz von entscheidender Bedeutung. Chaubert verwendet Bergahorn für Schnecke, Boden und Zargen. Die Decke fertigt er aus Fichte. Die Bäume sollten auf  1.000 Meter Höhe gewachsen sein und möglichst im Winter geschlagen werden, weil sie dann langsamer wachsen. Die Jahresringe sollten nicht mehr als 1-2 mm betragen. Außerdem muss der Baum geschützt von Winden stehen, damit er nicht „dreht“. Sonst lässt sich das Holz später nicht gerade spalten.
Vor allem müssen die Hölzer 10-12 Jahre lagern und gut durchtrocknen. Da er das wusste, hat er gleich vom ersten verdienten Geld Holz gekauft. Seine ältesten Bestände sind von 1941. „Je älter, je besser,“ schmunzelt der 57Jährige, „das ergibt eine schöne Grundfarbe.“
Offenbar hat Pierre Chaubert in Füssen eine Lawine losgetreten. Seit Gründung seiner ersten Werkstatt in 1982 haben über 25 Lehrlinge, Praktikanten und Gesellen bei ihm gearbeitet und 7 Gesellen die Meisterprüfung abgelegt. Einige haben sich selbständig gemacht.
Pierre Chaubert findet weit über Füssen hinaus Anerkennung und hat seit 1986 mehrere renommierte nationale und internationale Preise gewonnen. Dem bescheidenen „Maestro“ ist das nicht anzumerken.


Füssen, Gitarrenbaumeister Urs Langenbacher. Foto: Ursula Wiegand

Seine Arbeit – das wird mir klar – erfordert Zeit, Ruhe und Gelassenheit. Still ist es in der geräumigen Werkstatt unter dem Dach des historischen Kornhauses, wie auf einer Insel des Friedens. Er teilt sie mit dem Zupfinstrumentenbaumeister Urs Langenbacher und seit 11 Jahren mit dem angestellten Geigenbaumeister Andreas Ott.
Werbung musste er übrigens nie machen. Seine Wiederbelebung des Füssener Geigenbaus nach 147 Jahren wurde als Sensation empfunden und rief die Medien auf den Plan. Nach wie vor kommen Reporter und TV-Teams. Durch sie wurde er bekannt. Und Füssen durch ihn und seine großartigen Geigen wieder zu einer Stadt der Instrumentenbauer und der Musik.


Füssen liebt Musik und Tradition. Foto: Ursula Wiegand

Den Beweis liefern nicht nur die Alphornbläser und die Kapelle auf dem Kornmarkt.
Das Highlight in diesem Sommer ist vielmehr die Ausstellung „Cremona – 500 Jahre Metropole der Geigenbauer“ mit edlen Amatis und Stradivaris (bis 9. September). Auch das das Füssener Musikfestival vom 29.8. – 8. 9. 2012 ist hochkarätig besetzt.
Siehe unter www.fuessen.de und www.festival-vielsaitig.fuessen.de

Ursula Wiegand

 

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