Theater Freiburg: „Homo faber“: Schauspiel nach dem Roman von Max Frisch, Premiere 10.10.2014
Nach mehreren Bühnenadaptionen – unter anderem 2004 am Schauspielhaus Zürich – landet der Welterfolg von Max Frisch schliesslich auch auf der Freiburger Bühne. Ausschlaggebend für diese Entscheidung der Theaterdirektion mag hier nicht die künstlerische Herausforderung gewesen sein, sondern die Tatsache, dass praktisch sämtliche DeutschschülerInnen und GermanistikstudentInnen gezwungen sein werden, mindestens eine Vorstellung zu besuchen. So sichert man sich ein volles Haus.
Immerhin originell ist der Einfall von Regisseurin Sylvia Sobottka, die Ich-Form des „Berichts“ zu übernehmen, diesen aber von den verschiedenen Darstellern abwechselnd sprechen zu lassen. Ansonsten wird die Vorlage praktisch unverändert und chronologisch umgesetzt, Überraschungen gibt es keine, was schon die Kostüme der Zeit antönen. Immerhin blendet die Inszenierung gnädig irgendwann in Athen ab, obwohl niemand sich Hoffnung auf ein Happy End machen wird.
Herausragend ist von der Schauspielertruppe nur der Protagonist Thomas Mehlhorn als Walter Faber. Dem rational-verklemmten unrealistischen Technikfreak Faber wird Hanna als Verkörperung der Realitätsnähe, des Zufalls, der irrationalen Gefühle, im Prinzip der Natur selbst gegenübergestellt, die schliesslich grausam zurückschlägt und Fabers nüchternes Weltkonstrukt fantastisch zum Einsturz bringt.
Johanna Eiworth als Hanna hat – nebst Textschwierigkeiten – das Problem, nur eine von drei recht oberflächlich gezeichneten Frauenfiguren zu sein, die auf dem Orbit der starken Persönlichkeit des Ich-Erzählers kreisen. Fabers grosses Ego lässt auch auf der Bühne keine Nebenbuhler zu. So bleibt die süsse Stefanie Mrachacz als Fabers Tochter Elisabeth, mit der er unwissend ein Verhältnis beginnt, unverschuldet blass. Und sogar Mila Dargies als schrille Ivy (die Schlingpflanzenassoziation ist gewollt), die im Glitzeroutfit und Marilyn Monroe-Haaren alle Register einer nervigen Geliebte ziehen und Faber wiederholt lautstark verführen darf, bleibt gewaltsam oberflächlich. Genauso ergeht es Malte Sundermann als Fabers Zufallsbekanntschaft Herbert Henke, der zum Stichwortgeber verkümmert.
Die Ausstattung (Margret Nisch) ist ansprechend und zweckgemäss, die Dschungelwanderung, das Deck eines Schiffes, alles wird angenehm angedeutet. Der gebildete Leser und aufmerksame Schüler findet sich sogleich zurecht. Zu gut vielleicht.
Jeder kennt den Roman, hat ihn vielleicht sogar mehrfach gelesen oder im Deutschunterricht minutiös seziert, also erwartet man im Theater doch das eine oder andere Aha-Erlebnis, eine unerwartete Interpretation, eine bisher unbeleuchtete Seite, wenn nicht sogar einige neue Gedanken zu dem Thema Natur gegen Technik. Die Gegenwartsbezüge würden einem hier doch auf dem Silbertablett geliefert! Was in anderen Inszenierung oft weh tut, vermisst man hier geradezu schmerzhaft: Faber, der ständig auf seinem Tablet surft und dauernd nach Statistiken und Infos googelt, der von Ivy dauernd auf seinem iPhone angegesms wird, die ihn auch über Skype nicht in Ruhe lässt…. Mit der richtigen App hätte es vielleicht auch mit der korrekten Berechnung des Geburtstermins seiner Tochter geklappt…
Aber nein, politisch korrekt wird sogar die inzestuöse Beziehung Fabers zu seiner Tochter nur angedeutet, man will ja auch die jungen Schulklassen im Theater haben. Gerade die hätte man aber mit einem Nerd wie Sheldon aus „The big bang theory“ (übrigens eine ziemlich geniale amerikanische Version des Homo Faber) endlich für das Theater interessieren können. Chance verpasst.
Aber auch diejenigen Zuschauer, die jeglicher Modernisierung mit Abscheu begegnen, kommen im Laufe der langen unbepausten zwei Stunden schliesslich zur Einsicht, dass es Romane gibt, die so gut sind, dass sie besser nicht auf die Bühne oder Leinwand gebracht werden sollten, weil sonst der Grossteil ihrer Genialität verloren geht.
Quod erat demonstrandum.
Alice Matheson