Französische Orchestermusik: Orchestre de la Suisse Romande unter Armin Jordan bei audite erschienen/
Betörende Empfindung der Sinne
Als Nachfolger von Ernest Ansermet hatte Armin Jordan die Leitung des Orchestre de la Suisse Romande übernommen und erwies sich als Idealbesetzung. Einen Eindruck von der Qualität dieser Konzertaufnahmen zeigt die vorliegende Aufnahme aus dem Kunsthaus in Luzern. Die sinnliche Arabeske der Flöte sticht trotz des insgesamt recht dumpfen Klangbildes bei Claude Debussys „Prelude a l’apres-midi d’un faune“ deutlich hervor, wobei die schimmernd-glitzernden Klangfarben den Drang des Fauns nach Liebe in dynamisch facettenreicher Weise beschreiben. Eine aufregende Entdeckung ist dann die Suite Nr. 2 aus dem Ballett „Bacchus et Ariane“ op. 43 von Albert Roussel. Anklänge an Debussy und Ravel sind hier zwar deutlich herauszuhören, aber die rauschhaft-ekstatischen Momente dieser innerlich glühenden Musik lässt Armin Jordan mit dem Orchestre de la Suisse Romande hier regelrecht aufblühen. Neben klarer Polyphonie überrascht dabei aber das bedingungslose Aufbrechen bis an die Grenzen der Tonalität, was sich auch bei der synkopierten Rhythmik zeigt. Das Bacchantische gerät immer wieder außer Kontrolle, die Orchesterfarben erstrahlen dabei in den unterschiedlichsten Schattierungen und Nuancen. Spätromantische und lyrische Impressionen gewinnen immer größere Bedeutung. Es ist ein beeindruckendes Bekenntnis zur absoluten Musik, bei dem vitale Spielfreude und Klarheit ihrer Formen und Themenprofile positiv auffallen. Vor allem die rhythmische Eigenwilligkeit dieser Musik arbeitet Armin Jordan mit dem Orchestre de la Suisse Romande glänzend heraus. Leidenschaftliche Steigerungen reissen den Zuhörer dabei in wahrhaft unmittelbarer Weise mit. Kraftvolle Aufschwünge und pathetische Gebärden beweisen neben schwingenden Linien ungewöhnliche klangliche Qualitäten. Diese beiden Aufnahmen entstanden am 27. August 1988 im Kunsthaus Luzern. Der rhythmisch-metrische Verlauf ist auch bei „Six epigraphes antiques“ von Claude Debussy in der Orchestrierung von Ernest Ansermet sehr konsequent. Diese kurzen Charakterstücke sind faszinierende Beispiele aus dem Spätwerk des Komponisten. Gelegentliche Anklänge an Anton Webern beweisen ferner die Modernität dieser ungewöhnlich differenzierten Musik. Auffallend ist in jedem Fall die Rückführung der Melodik auf einfache klare Motive. Die begnadete englische Sopranistin Felicity Lott gestaltet zuletzt „Poeme de l’amour et de la mer“ von Ernest Chausson. Mit sehr emotionalen Kantilenen bestätigt Felicity Lott hier ihr gesangliches Einfühlungsvermögen, wobei sie vom Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Armin Jordan einfühlsam begleitet wird. Eine gewisse Nähe zu Cesar Franck ist nicht zu überhören, wobei der kontrapunktische Reichtum dieser Musik nie verleugnet wird. Die beiden letztgenannten Aufnahmen entstanden am 20. August 1994 im Kunsthaus Luzern. Fazit: Vor allem wegen der geglückten Roussel-Interpretation ist diese CD-Veröffentlichung eine Entdeckung.
Alexander Walther