Frankfurt: Landschaft mit entfernten Verwandten (Goebbels) 1.5.2013
Heiner Goebbels legt für seine Heimatstadt Frankfurt die 2002 in Genf uraufgeführte Oper für Solisten und Ensemble „Landschaft mit entfernten Verwandten“ in einer Neufassung vor. Sie wird musikalisch und szenisch vom Ensemble Modern im Bockenheimer Depot aufgeführt, Regie führt der Komponist selber. Goebbels hat in diesem Musiktheater, Oper wäre zuviel gesagt, denn es kommt nur eine Baritonarie vor (der großartige Holger Falk, der neulich in Heidelberg auch den Dionysos sang), Texte von Gertrude Stein, Giordano Bruno, Henri Michaud, T.S.Elliot, Francois Fénelon, Leonardo da Vinci, Michel Foucault und Nicolas Poussin in ihren jeweiligen Originalsprachen verarbeitet. Die Szenen stellen eine lockere Aneinanderreihung von Situationen und Bildern dar. Ein wichtiges Thema ist der Krieg in verschiedenen Geschichtsepochen, den eben auch für das 18./19.Jahrhundert Holger Falk in einer Art Schlachtengemälde ‚besingt‘. Dazu werden einmal riesige Papp-Menschenkörper an Seilen in der Luft herumgewirbelt. Die Instrumentalisten treten dann mal vor einem an Caspar David Friedrich gemahnenden erzromantischen Landschaftsbild mit Bankräuber-Strumpfmasken auf, spielen dazu ein fetziges Stück. Dann auch eine orientalische Szene, mit Derwischen, die zu Flötenkaskaden tanzen, und auf deren weit wehenden Gewändern Insekten projiziert werden (Bühne und Licht: Klaus Grünberg). Schön üppige Rokoko-Damenroben zeigt Florence von Gerkan in ener Szene, in der es beim englischen 5-Uhr-Tee um Alltagstratsch geht, der sich permanent wiederholt. Den szenischen Höhepunkt bilden drei auf Tischen hereingetragene mittelalterliche Städte, und die Stadtbewohner beschießen die Städte mit Leuchtraketen. Eine der Städte fängt tatsächlich an zu brennen, Reinigungsfrauen löschen und kehren dann alles akkurat auf und verdecken die Städte mit Tüchern.
Aus dieser Aneinanderreihung ist keine Aussage oder Sinn erkenntlich, wahrscheinlich auch vom Komponisten nicht beabsichtigt, es ist eben eine oder viele ‚Landschaften mit entfernten Verwandten‘.
Die Musiker spielen meist auch auf der Bühne oder daneben auf der rechten Seitenbühne. Die Musik von H.Goebbels ist durchgehend federnd jazzy und gibt keine Probleme auf. Alle Musiker leisten unter der engagierten Leitung von Franck Ollu, der sich beim Dirigat auch den Bedingungen auf der Szene anzupassen hat, Beachtliches. Für die Klangregie (auch elektronische Zuspielungen werden verwendet) zeichnet Norbert Ommer verantwortlich.
Als Schauspieler flitzt David Bennent, einst Trommler in Schlöndorffs Grass-Verfilmung Die Blechtrommel, über die Bühne und hat auch ein gehöriges ‚Lesepensum‘.
Friedeon Rosén