Frankfurt: The Rake’s Progress 20.5.2012
Statistin, Paul Appleby. Foto: Monika Rittershaus
Mit The Rake’s Progress (deutsch etwa: Der Wüstling) von Igor Strawinsky endete die Opernpremieren 2011/12 im Opernhaus Frankfurt. Eigentlich ist „The Rake’s… Strawinskys einzige Oper, da die ‚Geschichte vom Soldaten‘ eher ein Tanzspiel und ‚Ödipus Rex‘ ein Opernoratorium ist. Der im angelsächsischen Raum vielleicht häufiger zur Aufführung kommende 3-Akter wurde in einer exzellenten Produktion in Frankfurt auf die Bühne gestellt. Axel Weidauer/Regie arbeitet die Spielsituationen klar und plastisch heraus: Wir haben es hier eigentlich mit einer weiteren Faust-Oper zu tun. Der junge Faust wäre hier Tom Rakewell, der sich mit wenig Anstrengung in ein großes Glück verbunden mit Reichtum hineinträumt, und dem von Nick Shadow entsprechende Situationen vorgegaukelt werden, in denen er alles erreichen kann. Er bezahlt aber letzlich dem ‚“Teufel“ mit großem Absturz ins Irresein und verliert zudem auch seine große Liebe. Strawinsky hat sich für sein Abschiedswerk der verschiedensten, auch historischen, Stilmittel bedient und macht sich auch ein Versatzstück des epischen Brecht-Theaters zu Nutze, wenn er alle Protagonisten in einem Epilog nochmal auftreten läßt, um die ‚Moral‘ der Geschichte zu ziehen.
Moritz Nitsche schafft gut bespielbare Bühnenbilder, die auch immer einen horizontalen Ausblick auf nächtliche Lichtermeere der Stadt (London) belassen, wo der Protagonist, ein Landei, sich hinträumt. Nur in der Friedhofsszene, wo er um sein Leben (Karten) spielen muß, ist bereits alles schwarz, und nur eine Blume blüht an der Wand auf, als Rakewell das Herz-As seiner Liebe beschwört. Die Irrenhausszene ist dann nur noch schwarzer Raum mit dem Kontrast der in weißen Spitzenkleider auf Rakewell einsingenden Irrenhaus-Insassen. Die sonst eher modernen „englisch“ gediegenen Kostüme hat Berit Mohr entworfen.
Das Orchester unter der präzisen Leitung von Constantinos Carydis spielt zum Teil knallig, belässt es aber bei den langsamen Episoden im ersten Teil (z.B. die Szene der verlassenen Anne) bei einem Nachspielen des Notentextes. Die Episoden mit Baba the Turk und die anschließende Versteigerung von Rakewells Habseligkeiten werden dann mit mehr Gusto, z.T. jazzy aufgespielt. Hier werden auch alle orchestralen Erfindungen des sich von antiken Vorbildern emanzipierenden Strawinskys klangmagisch wiedergegeben.
Vuyani Mlinde gibt den Keeper of the Madhouse und weist belehrend Anne darauf hin, dass Rakewell sich jetzt für Adonis hält. Peter Marsh gibt mit zuverlässigem Tenor den Sellem. Paula Murrihy ist mit glänzendem, äußerst beweglichem und frischem Mezzo Baba the Turk. Die kurze Rolle der Mother Goose übernimmt Barbara Zechmeister. Alfred Reiter ist Trulove mit sonor autoritärem Baß. Simon Bailey ist der genuine Engländer für die Rolle des Nick Shadow. Sein warmer, distinguierter gut sitzender Bariton deklamiert auch so nachhaltig, dass man errät: er hat die Sache im Griff. Brenda Rae gibt edeltimbriert die Anne Trulove und hat aber letztlich das Nachsehen. Paul Appleby ist der Titelheld und kann das mit schönstem Tenormaterial beglaubigen. Sein Part , der ihm auch schöne Fiorituren abfordert, ist sonst mit glatten Vokalisen bestens aufbereitet.
Friedeon Rosén