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FRANKFURT/ Opernhaus: OTELLO von G. Rossini. Premiere

09.09.2019 | Allgemein, Oper

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Enea Scala in der Titelrolle. Foto: Barbara Aumüller

Frankfurt: „Otello“ von Rossini  –  Premiere am 08.09.2019

In Koproduktion mit dem Theater an der Wien hatte nun die Inszenierung von Damiano Michieletto aus der Spielzeit 2015/16 ihre Übernahme-Premiere an der Oper Frankfurt und bescherte zugleich dessen Publikum die EA des „Otello“ von Gioacchino Rossini. Das Libretto Francesco Maria Berios unterscheidet sich inhaltlich mit Abstrichen zur oft gespielten und altbekannten Boito-Verdi-Version:

Elmiros Tochter Desdemona ist heimlich mit Otello verlobt, Rodrigo der Sohn des Dogen von Venedig hat ebenso ein Auge auf sie geworfen. Der Vater ist Otello nicht freundlich gesinnt und verspricht dem Dogenspross Desdemona. Otello macht während der Trauung seine heimliche Verlobung publik und die Braut verweigert sich der Hochzeit mit Rodrigo. Das ist auch gut so, denn in der Version des Regisseurs verbindet Jago und Rodrigo mehr als nur Freundschaft.  Jago spinnt nun seine Intrige und das Verhängnis nimmt seinen variierten dramatischen Verlauf.

Der Regisseur Damiano Michieletto transferierte die Handlung in gegenwärtige Gefilde: Otello ein wohlhabender arabischer Geschäftsmann mit Verträgen, viel Geld und schwarzem Gold in der Tasche ist zwar einerseits des Mammons wegen willkommen wird aber dennoch von der venezianischen Gesellschaft keineswegs akzeptiert und stets argwöhnisch beäugt. Symbolisch verstand es Michieletto diskret islamische Begriffe mit den Werten der profitgierigen Oberschicht zu verknüpfen, jedoch ging die Rechnung des Transfers nicht auf und stiftete bedingt durch die eigenwillige Sichtweise und des weniger aufschlussreichen Librettos noch zusätzliche Verwirrung. Paolo Fantin lieferte dazu die entsprechende sehr ästhetische variable Bühnenoptik mit wenigen Interieurs, in vorteilhaftem Design von Allesandro Carletti ins rechte Licht gerückt. Die gegenwärtigen Kostüme Anzüge für die Herren und schöne vorteilhafte Roben für die Damen entwarf Carla Teti.

Rossinis „Otello“ entstand im ersten Drittel seiner Schaffensperiode zwischen  „Barbiere“ und „La Cenerentola“ und kam am 04. Dezember 1816 in Napoli zur UA. Zum konträren Verdi-Otello zeigt diese Rossini-Version durchaus problematische Aspekte bezüglich der Schwachstellen des Librettos sowie des völlig anderen musikalischen Aufbaus im typischen Belcantostil des Komponisten gespickt mit figurierten Ornamenten und nicht zuletzt der komplizierten Besetzung dreier Koloratur-Tenöre wegen.

Somit bleibe ich sogleich ungalanterweise bei den Herren: in der Titelpartie glänzte der junge Italiener Enea Scala dessen Stimme in der Mittellage über eine durchaus aparte dramatische Grundierung beim zuweilen Einsatz baritonaler effektvoller Tiefen verfügte, sich  schwungvoll in die stratosphärischen Koloratur-Höhen hinauf  katapultierte und die Charakteristik des Otello akustisch wie darstellerisch glaubhaft umzusetzen verstand.

Höhensicher, mühelos, überraschend souverän mit klangvollem Timbre ausgestattet bot Jack Swanson ein interessantes Portrait des Gegenspielers Rodrigo. Hell strahlend mit flexibler Stimme, punktgenaue Töne bestens platzierend, meisterte der Tenor temporeich die Partie und avancierte bar dieser Leistung zum Publikumsliebling.

Dem intriganten Jago welcher seine infamen Fäden im Hintergrund spann schenkte Theo Lebow Gestalt und Vokalise. Jedoch hier hätte man sich bezüglich der Figur mehr stimmliches Fundament, mehr Durchschlagskraft, mehr Farben gewünscht.

Für die ursprünglich besetzte und erkrankte Mezzosopranistin Karoline Makula wurde  Nino Machaidze verpflichtet welche die Desdemona bereits zur Premiere 2016 in Wien sang und  nun in Frankfurt ein erfolgreiches Hausdebüt absolvierte. Die inzwischen renommierte georgische Sopranistin ist auf allen internationalen Opernbühnen zu Gast hat das „leichte“ Fach inzwischen hinter sich gelassen,  sorgte für Furore mit mehr oder weniger dramatischen Partien und erwies sich als ideale Rollengestalterin.

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Enea Scala, Nino Machaidze. Foto: Barbara Aumüller/ Oper Frankfurt

Machaidze schenkte ihrer Desdemona konsequent energische Züge (sie ist nicht wie bei Verdi angelegt die naive Dulderin) und verstand es ebenso virtuose Fertigkeit mit emotionaler Wärme bestens zu offerieren. In feinsinniger Intonation klang ihr Sopran  farbenreich, ihrem Timbre entwich das mädchenhafte, ihre aparte Mittelllage gewann an dramatischer Fülle und blieb  stets präsent. Technisch wie stilistisch kombinierte die attraktive Sängerin  vokale Klanggebilde mit flexiblen Koloraturen und wohlklingenden Höhenbereichen.

Qualitativ sehr gut besetzt ebenso die kleineren Partien: Kelsey Lauritano (Emilia) mit warmen Mezzotönen, Thomas Faulkner die einzige dunkle Stimme des Abends verhalf mit wohlklingendem Bassbariton dem gestressten Vater zweier Töchter Elmiro Barberigo zu Autorität , Hans-Jürgen Lazar (Doge) und Michael Petruccelli (Lucio) wiederum zwei Tenöre bereicherten ebenso die  temporeichen Ensemble-Szenen.

In exzellenter Verfassung präsentierte sich wiederum der von Tilman Michael präzise einstudierte Opernchor rhythmisch akkurat, von bemerkenswerter Homogenität und Klangfülle.

Dass diese Premiere zur homogenen Aufführung geriet war letztlich auch Verdienst von Maestro Sesto Quatrini am Pult des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters. Es war eine Freude und Genuss zugleich zu erleben mit welcher er klanglichen Raffinesse, agogisch bis ins kleinste Detail Rossinis Partitur in klug justierter Balance gestaltete. Das hervorragend disponierte Orchester folgte hochkonzentriert voller Spielfreude den Eingebungen seines temperamentvollen Maestros, sodass schon allein das instrumentale Erleben die reine Freude war. Mit musikalischem Drive voll immenser Elastizität musizierte der Klangkörper in allen Bereichen einfach präzise und hervorragend, untermalte spritzig die pfiffigen Ensembles, begleitete vortrefflich die Sänger – traumhaft intoniert das Harfen-Entree zu Desdemonas herrlicher Arie im dritten Akt.

Das Premieren-Publikum zeigte sich bar dieser hervorragenden Präsentation bereits mit Szenenapplaus spendabel, feierte allerdings alle musikalischen Beteiligten incl.  Produktionsteam nicht mit der sonst üblichen Euphorie.

Weitere Aufführungen der erfolgreichen  Otello-EA am 12./21./29.09. – 03./12./20.10.2019

 

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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