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FRANKFURT/ Opernhaus: DIE FLEDERMAUS als Stream

„Die Fledermaus“ von Johann Strauß in der Oper Frankfurt als Stream am 5.1.2021/FRANKFURT

Tohuwabohu mit Ballettratten

Spielplan - Oper Frankfurt

 In der flotten Inszenierung von Christof Loy (der auch für die Bearbeitung in zwei Teilen sorgte) wird die Welt des 19. Jahrhunderts behutsam in unsere Zeit übertragen. Es kommt im Bühnenbild und den Kostümen von Herbert Murauer so zu einem Wechselspiel von Vergangenheit und Gegenwart. Allerdings klingt diese „Fledermaus“ stellenweise anders, denn einige Passagen werden von einem Akkordeon gespielt, was nicht immer ganz unproblematisch ist. Immerhin erhält Johann Strauß‘ Musik damit ein typisch französisches Flair. Jacques Offenbach lässt grüßen. Loy spürt den Verwicklungen der Handlung nach, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass Prinz Orlofsky und der Gerichtsdiener Frosch ein und dieselbe Person sind. Allerdings erkennt Rosalinde hier sofort den verführerischen Tenor ihres einstigen Gesangslehrers Alfred. Wenige Minuten später kommt ihr Mann Gabriel von Eisenstein nach Hause. Er hat eine Auseinandersetzung mit dem Advokaten Dr. Blind wegen seiner Arreststrafe aufgrund der Beleidigung einer Amtsperson. Mit heuchlerischer Rührung nehmen die Gatten voneinander Abschied. Das inszeniert Christof Loy mit viel Humor. Zwischendurch sorgen immer wieder Ballettratten für ein großes Tohuwabohu auf dem rutschigen Bühnenparkett (Choreographie: Thomas Wilhelm). Die Verkleidungs- und Verwechslungsdramaturgie läuft hier immer wieder aus dem Ruder. Da erscheint Gefängnisdirektor Frank, um Eisenstein persönlich abzuholen. Alfred muss nun die Rolle des Gatten übernehmen, was Christof Loy in seiner temporeichen Inszenierung turbulent und facettenreich herausarbeitet.

Ein Höhepunkt dieser Inszenierung ist der zweite Akt, der hier aber nicht in einem Gartensalon, sondern immer noch im selben, im Grunde genommen biederen Wohnzimmer spielt. Da tritt die Aufführung visuell etwas auf der Stelle. Dr. Falke präsentiert dem Prinzen Orlofsky sein lustiges Spiel „Die Rache einer Fledermaus“. Der Held dieses Scherzes ist Eisenstein, der dabei als Marquis Renard auftritt. Die Verwechslungskomödie wird jetzt bei Christof Loy in vergnüglicher Weise auf die Spitze getrieben. Adele wird dem Fürsten als junge Künstlerin vorgestellt. Und Eisenstein erzählt, wie er den betrunkenen Dr. Falke in einem Fledermauskostüm am Aschermittwochmorgen in einem Gehölz abgesetzt habe. Über die Rache, die ihm Falke dafür androht, lacht der nur, obwohl er schon das Opfer ist. Zwischendurch hat sich Prinz Orlofsky in den Gerichtsdiener Frosch verwandelt, was ebenfalls eine ungewöhnliche Sichtweise bietet. Im dritten Akt kann man die Kanzlei des Gefängnisdirektors gar nicht richtig erkennen, weil man immer noch denselben, allerdings leergeräumten Raum sieht. Der Gerichtsdiener Frosch macht Scherze – und plötzlich erscheint Adele, um Proben ihres Talents abzuliefern. Auch das Bildnis des österreichischen Kaisers Franz Joseph I. wird aufgehängt – aber ziemlich respektlos, denn den Nagel haut Frosch mitten durch die Stirn. Als sich schließlich die ganze Abendgesellschaft einfindet, begreift Eisenstein endlich, dass er der Rache einer Fledermaus zum Opfer fiel. Der Prinz verspricht Adele, sich als Kunstmäzen ihrer anzunehmen. Und Eisenstein bleibt allein zurück.

Unter der temperamentvollen Leitung von Sebastian Weigle musiziert das Frankfurter Opern- und Museumsorchester hier wie aus einem Guss. Musik und Inszenierung passen so zwar nicht immer hundertprozentig zusammen, doch angesichts der gut herausgearbeiteten thematischen Entwicklungen können sich die Personenkonstellationen recht überzeugend entfalten. Christian Gerhaher liefert als Gabriel von Eisenstein ein köstliches Charakterporträt, während Barbara Zechmeister als Rosalinde mit strahlkräftigen Kantilenen und weichem Timbre aufwartet. Bei den Spitzentönen fehlt zuweilen die schwerelose Leichtigkeit. Thorsten Grümbel bietet einen facettenreich agierenden Gefängnisdirektor Frank, während Stephan Rügamer als Alfred mit voluminösem Tenor aufwartet. Michael Nagy ist ein verschmitzter Dr. Falke – und Britta Stallmeister überzeugt weitgehend als raffinierte Adele. Martin Wölfel überrascht als Prinz Orlofsky mit seinem ausgesprägten Countertenor. Gleichzeitig verwandelt er sich in einen markant-ruppigen Gerichtsdiener Frosch. Hans-Jürgen Lazar gibt dem Advokaten Dr. Blind ein prägnantes Profil. Andrea M. Dewell ist eine Ida mit Profil.

Sehr wienerisch mit einem Schuss Pariser Flair interpretiert Sebastian Weigle diese schwungvolle Musik – und es fehlen auch nicht die glutvollen Passagen. Sehr gut hat Matthias Köhler den Chor einstudiert. Verführerische melodische Momente lassen sich dabei immer wieder ausmachen, auch wenn manchmal die Intensität noch fehlt. Martin Wölfel überzeugt als Prinz Orlofsky beim Couplet „s‘ ist mal bei mir so Sitte“ mit ironischem Unterton. Und Britta Stallmeister verleiht Adeles Lied „Mein Herr Marquis“ eine durchaus spöttische Aura. Stephan Rügamer als Alfred offenbart beim Lied „Täubchen, das entflattert ist“ tenoralen Schmelz. Barbara Zechmeister glänzt bei Rosalindes Csardas mit elektrisierendem Esprit. Rhythmisch hervorragend betont wird das Abschiedsterzett „O je, o je, wie rührt mich dies“ im ersten Akt. Auch die Tik-Tak-Schnellpolka des Duetts zwischen Rosalinde und Eisenstein fesselt mit knisternden komödiantischen Effekten. Die „Brüderlein und Schwesterlein“-Weise könnte allerdings noch inniger und einfühlsamer interpretiert werden. Am besten gelingt bei dieser Inszenierung der Schluss des zweiten Aktes, wo sich der „Feuerstrom der Reben“ in schwungvoll-überschäumenden Tanzeinlagen offenbart. Alles in allem ist es eine Inszenierung, die durchaus verschwenderischen Charme besitzt, aber auch manche Frage offen lässt. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Gerichtsdiener Frosch plötzlich als riesige weiße Maus erscheint.     

Alexander Walther

 

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