Brenda Rea im Kleid von Christian Lacroix. Foto: Barbara Aumüller
Frankfurt: I PURITANI/Bellini 2.12. 2018 Premiere
Einer der wohl schönsten und auch dramatischsten Opern Vincenzo Bellinis sind I Puritani (Die Puritaner). Sie wird aber gern auf die große Liebe zwischen Arturo und Elvira, Belcanto-Rollen par excellance, reduziert, obwohl diese in einen Krieg zwischen den Puritanern unter Cromwell und der Königsfamilie der Stuarts um 1650 eingebettet ist. Arturo ist ein Anhänger der Königsfamilie, während das andere Personal um Elvira die Seite der sich im Aufwind befindenden Puritaner darstellt.
Der weitere Inhalt der Auseindersetzung und der Oper braucht hier nicht aufgeführt zu werden. Jedenfalls hat sich Regisseur Vincent Boussard dafür entschieden, diese Historie weitgehend zu ignorieren und dafür in Paris 1835 eine Trauerfeier für den verstorbenen Bellini als ‚Ball der Schwarzen Romantik‘ nach Motiven von dessen letzter Oper zu zelebrieren. Also keine Unterscheidung von Puritanern und Stuarts, auch nicht im Kostüm, die Handlung zwar etwas nachgestellt und, wo möglich, verändert. Auf wirkliche Dramatik, die Bellini ja auch in der Musik genial zum Ausdruck bringt, wird also weitgehend verzichtet, was aber m.E. dem Vorurteil, Bellini habe nur Schöne-Stimmen- und Melodie-Opern geschrieben, Vorschub leistet. Das kommt auch in den Kostümen zum Ausdruck, die an sich hyperromantisch und aufgebauscht viele hochwertige Stoffe verbrauchen und vom Modeschöpfer Christian Lacroix stammen. Leider kommen sie aber in der eingedunkelten Schaueratmosphäre und in einem Bühnenbild, das aus einer ruinenhafte Burgfestung mit logenhaften Einbuchtungen und einer Ballustrade im 1.’Rang‘ besteht, gar nicht zu voller Wirkung. (Bb.: Johannes Leiacker) Zu Beginn küßt Elvira den toten Bellini, der in sein offenes Grab hineinfällt. Später, nach seiner hochzeitlichen Huldigung für Elvira, verschwindet Arturo mit der Gefangenen Enrichetta, ohne daß das als Flucht bezeichnet werden könnte. Elvira liegt meist in weißen Tüll gehüllt auf einem (Konzert)flügel, auf dem sie, besonders im späteren Wahnsinn, große Gebärden vollführt. Nachdem sie dem zurückgekehrten Arturo zuerst zu verzeihen scheint, tötet sie ihn mit einer kleinen kaum sichtbaren Pistole von einer Eisenleiter herab in dem Moment, wo die Aufhebung seines Todesurteils bekannt gegeben wird. Nach einem fingierten Schluß steht er zu einem Epilog mit dem Orchester als Bellini wieder auf, (im ‚Vorspiel war es eine Art historisches Hammerklavier) und verbleibt allein am Rande seines Grabes. Die Szene wird noch durch ein Video angereichert, in dem in der Höhe in einem kleinen Ausschnitt des Konzertflügels Evira in ihrem Gebärdenrausch gedoppelt sichtbar wird (Isabel Robson). Das kann als ästhetisches Surplus gewertet werden.
Das Orchester unter der agilen Leitung von Tito Ceccherini reiht die schönen Melodie Bellinis und deren Variationen aneinander, diese scheinen aber zur Begleitmusik der Trauerfeier bzw. des Balles (mit dem gesanglich bestens in der Ballustrade positionierten Chores) degradiert, denn die dramatischen Elemente kommen, wenn sie sich an der Szene nicht reiben können, gar nicht besonders zur Geltung.
Die Elvira gibt Brenda Rae mit ihrem soft fließenden hübschen Koloratursopran, einige Sitzentöne erscheinen aber suboptimal in die Gesangslinien eingebunden. An besonderen Farben, Emotionen und Ausdruck gewinnt ihre etwas blasse gasangliche Performance nur in Ansätzen.
John Osborne als Arturo, ein Tenore die grazia ‚von Gnaden‘ mit samt-brillantem Timbre, erscheint als idealer Darsteller des großen, aber altruistischen Liebhabers. Nur ganz am Anfang erscheinen die sovracuti (Spitzentöne) noch etwas gewöhnungsbedürftig, dann kann er sie wunderbar in die Gesangslinie einbinden, und man möchte sie in einem Bis nochmal hören (z.B. die Arie A te o cara). Er gehört sicher zu den weltweit ganz Wenigen, die das so genial können.
Der Rivale Riccardo wird von Iurii Samoilov mit heldisch wohlklingendem Bariton gezeichnet. Gualtiero, der Vater Elviras ist der Dunkelbaß Thomas Faulkner. Den Onkel Giorgio stellt mit Applomb Baßbariton Kihwan Sim. Die Kurzrolle der Enrichetta di Francia wird vom Mezzo Bianca Andrew übernommen. Den Puritano Bruno Roberton gestaltet tenoral Michael Porter.
Friedeon Rosén