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FRANKFURT/ Oper: DIE ZAUBERIN („Tscharodeika“)von P.I.Tschaikowski. Premiere

Frankfurt: Die Zauberin von Tschaikowski 4.12 . 2022 Premiere

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v.l.n.r. Claudia Mahnke (Die Fürstin) und Asmik Grigorian (Nastasja), (c) Barbara Aumüller

An der Oper Frankfurt wird jetzt zum ersten Mal Tschaikowskis Die Zauberin (Libretto: Ippolit Schpaschinski) gegeben. Diese zählt, obwohl sie Tschaikowski zu seiner Lieblingsoper erklärt hat, wie auch ‚Die Jungfrau von Orleans‘ zu seinen selten gespielten Opern. Außerdem ist der Titel ‚Zauberin‘ eine etwas reißerische Übersetzung, eher gerechtfertigt wäre ‚Die Bezaubernde‘, aber oft kamen ja wohltätige Frauen in der Geschichte in den Ruch von Hexerei und Zauberei.

Was das musikalische anbelangt, wirkt Tschaikowskis drittletzte Oper vor ‚Pique dame‘ und JOLANTA tatsächlich sehr ausgereift. Es entsteht eine sehr gepflegte Wiedergabe, und unter Dirigent Valentin Uryupin auch eine klangstarke Interpretation mit dem in allen Sektionen gut aufgelegten Frankfurter Orchester.  Bemerkenswert ist auch der gewaltsame Schluß mit drei Ermordeten, den Tschaikowski als fünfminütigen accelerando- Galopp in unglaublich grotesker Dramatik auskomponierte.

In passender Kongruenz zu den musikalischen Abläufen bringt der Regisseur Vasily Berkhatov bei der in Nishni Novgorod spielenden Geschichte immer wieder Einblicke in das postmittelalterliche  Rußland, läßt sie aber auch auf moderne Elemente treffen. Der ganze erste Akt gibt ein Stimmungsbild bei der verwitweten Schönheit Nastasja (auch Kuma genannt) wieder, in deren vor der Stadt gelegenen Wirtshaus sich viele Leute zu gesellschaftlichem Austausch treffen, während sonst das Volk unter der Knute des Fürsten gehalten wird. Dieser Akt findet hier vor Betonwänden statt, während in der Höhe ein aus Neonröhren gebildetes Häuschen auf hohen Stangen steht. Es stehen sich Chorgruppen locker gegenüber und singen in bester Tschaikowski-Tradition. Der Akt spitzt sich zu, wenn der Fürst mit seinem Popen Mamyrov auftaucht, um Gerüchten nachzugehen, Natasja sei eine Hexe. Beide Männer werden aber in Natasjas Szenerie eingebunden. Sie bezirzt den Fürsten, lädt ihn zum Wodkatrinken ein und präsentiert dazu eine Wolfstanznummer mit sich leicht erotisch gebärdenden großen Tänzern. Der widerständige Marynov  wird zum Mittanzen gezwungen.

Die die Bühne ausfüllende gelb getönte fürstliche Halle ruht auf Marmorsäulen mit mittig hinten erhöhtem Ikonenschrank, davor weiter unten Fauteuils (Bb.: Christian Schmidt). Hier sind die Fürstin und ihre Freundin Nenila bei Gymnastikübungen in Joggingoutfit zu sehen. Auch Prinz Juri, und übrigens auch Natasja im 1.Akt. tragen Jogginghosen (Kost.: Kirsten Dephoff). Hier spielt sich auch eine köstliche Szene mit dem Fürsten und seinem Schäferhund ab. Das brave Söhnchen Juri beschließt, seine betrogen gewähnte Mutter zu rächen und die vermeintlcihe Ehebrecherin Natasja zu töten. Für die folgenden Szenen bis zum Schlussakt läßt die Regie Nastasjas Raum und das Fürstenpalais miteinander verschwimmen, indem das hochgestellte Neonröhrenhäuschen plötzlich im Fürstenpalais erscheint und beide Räume surreal verbunden sind. Damit einher geht aber auch eine Verwirrung der Handlung, wenn der Prinz, der beim Aufsuchen Natasjas auch deren ‚Magie‘ verfällt, ihr seine Gegenliebe gesteht, aber am Schluß doch auf ihr Bett einsticht, wo die schon an dem Gifttrank von  Mamyrov, von der Fürstin als Pilgerin verkleidet als Wasser kredenzt, verstorben ist.

Asmik Grigorian, eine tatsächlich bezaubernde Natasja, wirkt zuerst noch ganz mädchenhaft zurückhaltend, ab dem 2. tritt sie in einem weißen Männerhemd auf, das immer länger zur quasi Schleppe gerät und läßt die Jogginghose weg. Ihr schön gebildeter geschmeidiger Sopran blüht, nachdem sie sich dem Fürsten verweigert hat, bei seinem Sohn Juri immer ausdrucksstärker auf und schlägt den Prinz sofort in den Bann. Iain Macneil ist der Fürst mit einem sehr angenehm gerundeten, stark timbrierten Bariton. Natasja zeigt ihm,dem sie ihre Freiheit zu verdanken hat, seine Grenzen auf (im Gegensatz zu der korrespondierenden Oper ‚Mazeppa‘, wo der Alte die Liebe der Protagonistin gewinnt). 

Caudia Mahnke ist zurzeit in glänzender Form. Schon ihre Fricka an der Berliner Lindenoper konnte begeistern, und sie wurde zur ebenbürtigen Partnerin von M.Volle. Hier kann sie sich als tollgewordene Fürstin gerieren, indem sie Nastasja einen Todestrank bereiten läßt , der sie von innen auffrißt, und das später am Hemd sichtbare Blut aus dem Körper treten läßt. Das singt sie sich mit gut tmbriertem dramatischem Mezzosopran aus der Kehle. Der Juri wird von Alexander Mikhailov in bester Nuancierung gestaltet. Ein schöner fast süßlicher lyrischer Tenor kommt hier zum Tragen. Den Mamyrov gibt Frederic Jost  mit einem hintergründig gutartikuliertem Baß, der auch seine Spitzel Foka (Bariton Dietrich Volle) und Ivan Schuran (Baßbariton Bozidar Smiljanic) völlig im Griff hat. Seine Schwester Nenila wird von dem schönstimmigen gut artikulierenden Mezzo Zanda Svede übernommen. Die Gefährtin von Natasja, Polja, ist der südafrikanische Sopran Nombulelo Yende, ihre ‚Mitstreiter‘ Belakin (tenoral Jonathan Abernethy), und Potap (Baßbariton Pilgoo Kang). In weiteren Nebenrollen Kudaibergen Abildin, Magnus Baldvinsson, Michael McCown und Aslam Diasamidse. Die sehenswerten Tänzer R.Pabst, G.Ascani, L.Baptiste, G. de la Chica Lopez und Jonathan Schmidt werden von Gal Fefferman choreographiert.                                           

Friedeon Rosén

 

 

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