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FRANKFURT/ Oper: DER FERNE KLANG

Traumphantasien und Rückblenden im Kontext zur realen Handlung

07.04.2019 | Allgemein, Oper

Oper Frankfurt, DER FERNE KLANG,  Aufführung vom 06. April, 2019

 

Traumphantasien und Rückblenden im Kontext zur realen Handlung

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Foto: Barbara Aumüller  Fritz (Jan Koziara), Traumwelt mit Harfe als Inspiration für seine Komposition

 Szenische Darstellung:

Regie: Damiano Michieletto, Bühnenbild: Paolo Fantin, Kostüme: Klaus Bruns,  Video: Roland Horvath, Carmen Zimmermann, Licht: Alessandro Carletti, Dramaturgie: Norbert Abels

 Ähnlich wie bei Richard Wagner, hat Franz Schreker, mit einer einzigen Ausnahme, seine Libretti selbst verfasst und die Idee dafür entwickelte sich meist aus persönlichen Erlebnissen oder aus Erzählungen mit psychologischen Hintergrund.  Schon beim Ausarbeiten des Textes werden beim Komponisten wichtige Teile mit einer charakteristischen  Klangfarbe versehen. Berühmt sind die orchestralen  Zwischenspiele, die Hintergrundwissen und seelische Zusammenhänge musikalisch sichtbar machen.

Das Werk wird teilweise der Spätromantik zugeordnet. Die Partitur weist eine musikalische Vielschichtigkeit mit unterschiedlichen Stilrichtungen auf und enthält eine mannigfach farbige Tongebung. Schreker hat mit seinen Musikdramen dem damaligen Zeitgeist entsprochen und war seinerzeit der große Publikumsliebling.

Traumphantasien und Rückblenden vermischen sich mit der realen Welt

Das eher spartanisch ausgerichtete  Bühnenbild ist in mehrere Räume aufgeteilt, die sich nach hinten verjüngen und durch Seidenvorhänge voneinander getrennt sind. Die Handlung wird teilweise als Rückblende der alt gewordenen Protagonisten erzählt. Dieser Raum befindet sich im hinteren Teil der Bühne, während vorne die reale Handlung dargestellt wird. Dabei treffen gelegentlich die Personen aus den jeweiligen Lebensabschnitten aufeinender. So begegnen sich die Hauptdarsteller im Seniorenalter (Fritz: Martin Georgi und Grete: Steffie Sehling) und die leibhaftigen Menschen, das als Rückblende zu deuten ist, eine Kommunikation würde dann im parapsychischen Bereich stattfinden. Die symphonischen Zwischenspiele, psychologisch untermauerte Traumphasen, werden mit großen Videoeinblendungen illustriert.

Schreker versucht mit seiner Geschichte, vordergründig die Konsequenzen auszuloten, die entstehen, wenn man einem Phantom, einer fixen Idee oder einer utopischen Vorstellung hinterher läuft und dabei den Überblick auf die reale Welt verliert. Am Ende seines Lebens, von künstlerischen Misserfolgen begleitet, erkennt er seinen “Wahn”. Von seiner lieben Grete umarmt, hört er plötzlich seinen Klang. Fritz glaubt in der Person der Grete den Ton zu hören, ähnlich wie beim Tristan in seinen Fieberträumen: Wie, hör´ ich das Licht? Absolute charakterliche Größe zeigt Grete Graumann, indem sie dem Komponisten Fritz, der durch sein schandhaftes Verhalten wesentlichen Anteil an ihrem unglücklichen Leben hat, verzeiht. Am Ende bleibt sie, alt geworden, alleine zurück.

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Foto: Barbara Aumüller    2. Akt: Ensemble mit Chor in der
Casa di Maschere”, ein Luxus Amüsement

Die Inszenierung beinhaltet eine ausgezeichnete Personenführung mit einer charakteristischen Kostümvielfalt und symbolträchtige Videoeinblendungen. Es gibt Traumphasen, Wunschvorstellungen und Rückblenden, die sich auch manchmal vermischen, sodass man leicht den Überblick verlieren kann.

Großes Musiktheater von Franz Schreker mit einem Werk, das im frühen 20. Jahrhundert entstanden ist, abwechslungsreich in Szene gesetzt.

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Foto: Barbara Aumüller  3. Akt: Fritz (Jan Koziara) stirbt in den Armen der alt gewordenen Grete (Jenmifer Holloway), von oben sind die hängenden Instrumente sichtbar

Der GMD Sebastian Weigle mit dem Museumsorcheter der Oper Frankfurt und Chor unter der Leitung von Tilman Michael

Mit seiner einfühlsamen Lesart hat der Dirigent Sebastian Weigle dieses vielschichtige Werk mit seiner unterschiedlichen Farbgebung orchestral zu einem transparenten Hörerlebnis gebracht, dabei ist er mit dem Fortissimo sparsam umgegangen. Bei den lyrischen Szenen entwickelte er bewegende Momente. Er unterstützte  die gesamte Sängergilde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, ein wichtige Aufgabe,  zumal viele Sänger zum ersten Mal dieses Werk interpretierten.

Der lautstarke, souverän geführte Chor unter der Leitung von Tilman Michael, der im zweiten Akt eine wichtige Funktion innehat, konnte darstellerisch und gesanglich   überzeugen.

Der Komponist Fritz hatte erst auf dem Sterbebett und in den Armen seiner Grete liegend, den “fernen Klang” wahrgenommen, den Besuchern aber wurde mit dem Museumsorchester unter der Leitung von Sebastian Weigle der “originale ferne Klang” in vollendeter Form präsentiert. Zur Verdeutlichung werden am Ende die Musikinstrumente des Orchesters herabgelassen

 Glanzvolle sängerische und szenische Leistung der beiden Protagonisten

Die Interpretation der Grete Graumann ist darstellerisch und sängerisch die prägende Figur in diesem Werk. Sie wird von der amerikanischen Sängerin, Jennifer Holloway, verkörpert, eine Ausnahmekünstlerin, mit einem enormen Stimmumfang. So hat sie beispielsweise in der Semperoper als Sopran die Salome mit Bravour gemeistert und als Mezzo im gleichen Haus, die Cassandre in den Trojanern mit betörender Stimme besetzt. Ausdrucksstark, mit sicherer Höhe und glaubwürdiger Interpretation hat sie die Herzen der Besucher erobert. Stimmungsvoll reflektiert sie den Selbstmordversuch am Ende des ersten Aktes, von dem sie letztendlich bei den Gedanken über die Schönheit der Natur ablässt, eine enorme Leistung.

Für den Komponisten Fritz wurde der aus den USA stammende,  Jan Koziara, gewonnen. Ein junger, noch unbekannter Heldentenor, der an der Met in dem bekannten Förderungsprogramm für junge ausgebildete Sänger, praktische Erfahrungen sammelt. Mit seiner baritonalen Tiefe, einer beachtlichen Höhe, besitzt er jetzt schon die Voraussetzungen, die von einer heldischen Stimme verlangt werden. So hat Jan Koziara als Debütant an diesem Abend mit seiner kraftvollen Stimme eine Glanzleistung abgeliefert. Am Ende, vom nahenden Tod gezeichnet, beeindruckte er beim Sehnen nach einem letzten Wiedersehen seiner Grete mit ausdrucksvollem Tristangesang.

Das Werk beinhaltet eine große Anzahl von Solisten, die mit Engagement ihren Beitrag zu der erfolgreichen Aufführung, beitrugen:

Ein Wirt: Anthony Robin Schneider, ein Schmierenschauspieler: Jurii Samoilov, die Eltern von Grete: Magnus Baldvinsson und Barbara Zechmeister, Dr. Vigelius: Dietrich Volle, das alte Weib: Nadine Secunde, Mizi: Julia Dawson, Milli: Bianca Andrew, Mary: Julia Moormann, die Spanierin: Kelsey Lauritano, der Baron: Iain MacNeil, Der Chevalier: Theo Lebow, Rudolf: Sebastian Geyer, ein Individuum: Hans-Jürgen Lazar und Anatolii Suprun als Polizist 

Diese Produktion wird dem kürzlich verstorbenen Michael Gielen gewidmet. der von 1977 bis 1987 der Generalmusikdirektor dieses Hauses war und mit seiner intellektuellen und analytischen Sichtweise die Städtischen Bühnen Frankfurt zu einer international angesehenen Anlaufstelle machte. Der Intendant Bernd Loebe mit seinem GMD Sebastian Weigle und den vielen ungenannten Mitstreitern hat ebenfalls die Oper Frankfurt in den Kreis der hochgeschätzten Hauser weltweit geführt. Das beweisen unter anderem die vielen Preise und Ehrungen, die diesem Hause verliehen wurden. Der Ferne Klang von Franz Schreker gehört ebenfalls dazu.

Weitere Vorstellungen: 13., 19., 26., 28. April und 4., 11. Mai 2019

Franz Roos

 

 

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