Oper Frankfurt: Norma, Vorstellung vom 14.06.2018
Eine Psychoanalyse der Norma bis zu ihrem tragischen Ende
Foto: Barbara Aumüller Elza van den Heever (Norma)
Verantwortlich für die szenische Darstellung:
Regie: Christof Loy, Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt, Kostüme: Ursula Renzenbrink, Licht: Olaf Winter, Dramaturgie: Konrad Kuhn
Gleich zu Beginn sieht man auf der Bühne eine am Boden liegende Menschenmenge. An den Kostümen stellt man fest, dass es sich nicht um Gallier handelt, die sich der Okkupation durch die Römer widersetzen wollen. Im weiteren Verlauf erkennt man, dass die Szenen zeitlos und nicht ortsgebunden sind. Das Einheitsbild besteht aus einem holzgetäfelten Rechteck, angereichert mit einem Tisch und Stühlen, die als Sitzgelegenheit dienen und bei Wutausbrüchen als Werkzeug benutzt werden und normalerweise beim Sperrmüll abgegeben werden.
Bei den Kostümen fällt auf, dass die Norma in einem dunklen Umhang gekleidet ist, der aus einer Kleidersammlung stammen könnte, während alle anderen Personen zeitgemäß ausgestattet sind. Auf den ersten Blick erscheint dies dem Besucher suspekt, aber wenn man das abstrakte Bühnenbild und die Ausstattung im Kontext zur Charakterisierung der Norma stellt, ergibt sich ein schlüssiger Zusammenhang. Die abstrakte Bühne ist ein Spiegelbild der Druidenpriesterin, die sich demaskiert und gleichzeitig ihr Innenleben leidenschaftlich ausbreitet. Hier wird der Versuch gemacht, aufzuzeigen, wie eine starke Persönlichkeit durch Umwelteinflüsse allmählich in einen seelischen Ruin getrieben wird. Da ist es dann auch folgerichtig, wenn die Norma am Ende selbst mit der Fackel den Scheiterhaufen anzündet, um endlich von ihren seelischen Qualen befreit zu werden.
Norma ist ständig emotionalen Schwankungen ausgesetzt, beispielsweise das Verhältnis zu ihren Kindern, wo Liebe und Abneigung, ja sogar Tötungsabsicht, ständig einem Wechselspiel ausgesetzt sind oder dem vergeblichen Versuch, den Vater ihrer beiden Kinder wieder zurück zu gewinnen, der sich der jüngeren gut aussehenden Adalgisa zugewandt hat. Nicht zu vergessen die Konfrontation ihrer Landsleute mit unerfüllbaren Forderungen.
Die Regie hat bei der Umsetzung den Akteuren viel abverlangt, aber auch dem Publikum wird einiges zugemutet.
Lobenswerte musikalische Umsetzung durch das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Antonino Fogliani
Das Orchester hat die Sänger souverän begleitet, ein unverzichtbarer Bestandteil im Belcanto. Bei einigen bewegenden Momenten nahm man den Orchesterklang nur im Unterbewusstsein wahr. Dadurch wurde die emotionale Wirkung verstärkt. Der Chor unter der Leitung von Tilman Michael agierte lautstark, meist von einem erhöhten Podest aus, das bedeutet, dass auch von oben Druck auf die Norma ausgeübt wird.
Pollione (Stefano La Colla), ist ein kräftiger höhensicherer Spinto, der im Oktober an diesem Hause den Mario Cavaradossi interpretieren wird, während die Adalgisa (Gaëlle Arquez) besonders mit ihrer lyrischen Ausdrucksweise glänzte.
Die übrigen Sängerdarsteller trugen wesentlich zur erfolgreichen musikalischen Interpretation bei: Oroveso (Robert Pomakov), Flavio (Ingyu Hwang), Clotilde (Alison King)
Foto: Barbara Aumüller Gaëlle Arquez (Adalgisa), Stefano La Colla (Pollione)
Elza van den Heever die überragende Norma
Sie ist bei dieser Inszenierung einer besonderen Belastung ausgesetzt, weil sie die immensen anstrengenden Vorgaben der Regie umsetzen soll und gleichzeitig im gesanglichen Bereich den enormen Anforderungen entsprechen muss. Beides hat sie mit Bravour gemeistert und kann sich in die obere Rangliste der heutigen “Normas“ einreihen.
Natürlich trifft diese szenische Sichtweise nicht beim gesamten Publikum auf Zustimmung, die in der unterschiedlichen Erwartungshaltung begründet ist, was ausdrücklich zu begrüßen ist.
Weitere Vorstellungen im Juni 2018: 17., 20., 23., 27.
Franz Roos