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FRANKFURT: LA FANCIULLA DEL WEST. Premiere

13.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: Fanciulla del west/Puccini . Premiere am 12.5.2013

 
Ashley Holland, Eva Maria Westbroek, Foto: Monika Rittershaus

 An der vom ‚Opern award‘ jetzt in den Kreis der 5 weltbesten Opernhäuser aufgenommenen Oper Frankfurt wurde „Fanciulla del west“/’Mädchen aus dem goldenen Westen‘, und zwar in einer Übernahme der Stockkolmer Produktion von 2010 (Regie Christof Loy) gespielt. Ganz wider Erwarten hat dieser Regisseur damals die Oper ganz historisch korrekt 1:1 auf die Bühne gebracht, was, wie man sich vielleicht denken könnte, dem Königlichen Opernhaus Stockholm geschuldet war, in dem moderne Inszenierungen eher nicht erwünscht sein könnten. Christof Loy begründet es aber überdies so, dass dieses Stück nur funktioniere, wenn wir nostalgisch in eine weit entfernte Vergangenheit blicken, wie der ‚Wilde Westen‘ ja bei uns, anders als bei den Amerikanern, in eher verkitschter Form weitgehend ins Filmgenre abgedrängt wurde. Mir erscheint andererseits aber ein gutes Argument, „Fanciulla“ historisch zu spielen, da sie als einzige der großen Puccini-Opern etwas im Repertoire-Abseits steht und deshalb durch genrenahe Aufführungen eher ins
Bewußtsein gerückt werden kann.

 Des Weiteren zeichnet sich diese von Anna Tomson szenisch neu belebte Oper durch eher zivile Begleitumstände aus: Gar kein sichtbares Theaterblut, keine wirklichen Kämpfe, eher große Friedfertigkeit unter den Goldgräbern und Banditen, nur kleine ‚Damenpistolen‘ für Minnie. Auch die Örtlichkeiten (Bühne und Kostüme Herbert Murauer) sind sehr schlicht, grau in grau, und die Goldgräber treten immer in geradezu Festagsgewandung auf, wenn sie in die wie ein Guckkasten in der Wand wirkende Bar strömen oder etwa wieder zur Jagd auf Ramerrez ausschweifen. Diese Auftritte sind auch in einer genauen wirkungsvollen Choreographie von Thomas Wilhelm festgehalten, in den Videos, meist einer filmischen Vergrößerung der gerade agierenden Personen von Hobi Jame, Nils Fridén und Emil Gotthard, wird auch auf das Filmgenre verwiesen.

 Das Opernorchester spielt wie in der Rolle als live Filmorchester, auch relativ hochgefahren, diesen saftig prallen Puccini-Reißer in einer meisterlichen Wiedergabe unter der bewährten Leitung von Sebastian Weigle. Die Musik ist extrem vielgestaltig abwechslungsreich, gibt Naturstimmungen bestens wider, wo auf der Bühne vielleicht nur realistischer Schnee in Minnies Wohnung eindringt, oder zeichnet, super gespielt, die großen Liebesgefühle im Zeitraffer nach oder deren Gegenteil: hoch geschraubte, nicht eingelöste Erwartungen, die bei Jack Rance in glühende Eifersucht umschlagen. Die so genannten schwebenden, auf lange Distanz permanent verminderten Akkorde werden berstend spannend von den Frankfurtern, auch im bevorzugten Vibraphon, ausgekostet. Weigle erweist sich in seiner ersten Puccini-Auseinandersetzung mit dem Orchester als großer Protagonist.

 Der Herrenchor ist blendend instruiert und singt auch, wo gewünscht, gut abschattiert in seinen großen Szenen. Carlos Krause und Elisabeth Hornung geben das eindrücklich genregemäße Paar Jackrabbit und Wowkle. Die Goldgräber Ashby, Sonora, Trin, Sid, Bello, Harry, Joe, Happy und Larkens sind größtenteils nit Ensemblemitgliedern der FO besetzt und legen alle ein fasznierendes Rollendebüt hin. Peter Marsh gibt mit seinem qualitätsreichen höhensicheren Tenor den Kellner der Polka-Bar, wo auch Minnie ihren ersten Walzer tanzt. Ashley Holland gibt den erstklassigen Sheriff mit glühender Eifersucht, die sich auch phänomenal in seinem Bariton widerspiegelt. Wenn sich ganz zum Schluß das Blatt für Dick und Minnie positiv wendet, absentiert er sich erst in Minnies kleinem Vorraum links, und wenn die beiden Verliebten abziehen, ist der Vorraum mit ihm auch ganz verschwunden. D. Johnson wird von Carlo Ventre mit etwas rauchig düsterem Tenor und mit einzigartiger Höhe aufgebaut und verleiht seiner großen Liebe Glaubwürdigkeit.

Eva-Maria Westbroek ist eine Minnie mit voluminösem schön ansprechendem Stimmmaterial, das sich in der Höhe leider manchmal etwas eintrübt. Insgesamt kann sie aber als hervorragende Minnie bestehen und wird vom Publikum entsprechend gefeiert.                                              

Friedeon Rosén 

 

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