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FRANKFURT: IDOMENEO. Premiere

18.03.2013 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: IDOMENEO. Premiere am 17.3.2013


Roberto Saccà in der Titelrolle. Foto: Barbara Aumüller/ Oper Frankfurt

 Auch den „Idomeneo“, Mozarts frühe und einzige Opera seria, verlegt Regisseur Jan Philipp Gloger, der in Bayreuth mit einer gemäßigt modernen Auslegung des Fliegenden Holländer aufgefallen war, in moderne Neuzeit. Der vertrackte Vater -Sohn-Konflikt um den Kreterkönig Idomeneo vor dem Hintergrund des gerade zu Ende gegangenen ‚Weltkriegs‘ um Troja erweist sich aber als sperrig. Deshalb baut Gloger auch griechisch-mythologische Elemente ein, wenn bei der Opferung Idomeneos Sohns Idamante plötzlich griechische Säulen hereinfahren, und der Oberpriester des Neptun in Toga mit griechischem Faltenwurf die Zeremonie vollzieht. Natürlich ist solch ein Kontrastverfahren nicht neu, wirkt aber etwas komisch, da die Kontraste stark aufeinanderprallen. Hinter den Säulen wird nämlich in Schemen hinter Gazé eine zerstörte Großstadt mit Wolkenkratzern sichtbar. Die Zeremonie soll an Idamante als Kind vollzogen werden, aber es stellt sich heraus, daß sie sich in Gänze um einen Traum des Vaters Idomeneo handelt, der vorher wegen der sich so katastrophal entwickelnden Zustände auf seiner Insel einen Zusammenbruch erlitten hatte und von seinen Vertrauten in ein modernes Intensivbett gelegt wurde. Wenn man dazu noch das Programmbuch konsultiert, erfährt man, dass das Ungeheuer, das Kreta verwüstet, im Grunde Idomeneo selber ist, der patriarchalisch an seiner Macht festhält, den Sohn deshalb verbannen will und es selbst auf die trojanische Prinzessin Ilia abgesehen hat. Dazu tragen auch die statisch harten Ambiente des Palastes von Franziska Bornkamm bei. Eine durchgehende hohe Wand in der Mitte der großen Drehbühne trennt die beiden oft gegensätzlich bestückten Schauplätze ab. Inszenierte Hofzeremonien lassen gern an entsprechende Abläufe einer nordkoreanischen Diktatur denken. Nicht wirklich dramaturgisch integriert scheint dagegen ein zusätzlich auftretender Neptun, schwarz und seetangverschmiert und mit Fisch-Skeletten drapiert (Olaf Reinecke), der sich auch als ‚Partner‘ für die grollende Elettra anbietet, die ihre Felle als von Idomeneo vorbestimmte Gattin des Idamante immer mehr fortschwimmen sieht.

 Marineuniformen haben in einem Inselstaat natürlich die Oberhand: hochdekoriert erscheinen Idomeneo in blau, Idamante in weiß. Ilia tritt erst in einem rauheren kurzen Gefangenenkleid auf, erst zur Hollywood-liken Hochzeit erscheint sie in pompösem weißen Hochzeitskleid. Elettra muß sich die ganze Zeit in einem 60er Jahre bläulichem Hauskleid begnügen, in ihrer 1.Wahnsinnsarie reisst sie sich Oberteil und Perücke herunter und verfällt in manische Oberkörperbewegungen. (Kostüme: Karin Jud)

  Julia Jones dirigiert auswendig. Es gelingt ihr, große Bögen zu spannen und die komplexe Oper nie in irgendwelche Teile zerfasern zu lassen. Es ergibt sich eine durchbrochene spannend durchgehaltene musikalische Handlung. Im Graben musiziert Julia Jones mit dem Orchester samtig kräftig, die Streicher geben oft mit dunkel aufgerauhten Idomeneo-Motiven den Ton an. Die schönstimmigen Chöre sind klug ins dramaturgische Konzept eingebunden. Der junge Alexander Mehr debutiert mit interessantem Baß als Stimme des Deus ex machina.

Beau Gibson singt einen gut eingebundenen tenoralen Oberpriester. Als Einspringer gibt Kenneth Tarver mit seinem klar fließenden Tenor einen eleganten Diplometen Arbace ab. Die Elettra der Elza van den Heever hat stimmlich keine Probleme, der an sich schöne Sopran gewinnt für die Rolle aber zu wenig an Pathos und an letztlich zerreissender Leidenschaft. Juanita Lascarro ist eine angenehme Erscheinung mit dunklem Teint für die Tochter (Vorder)asiens, bekommt aber stimmlich die wünschenswerte Mischung der Register nicht so auf die Reihe, die sie zu dem allseits begehrenswerten Geschöpf machen könnte. Ihr Idamante Martin Mitterrutzner ist da eindeutiger, ein mit süßlichem Timbre begabter Naturtenor, der ja nur das Gute sucht und findet.

 Der Idomeneo des Roberto Saccà geht wegen einer Sehnenzerrung immer buchstäblich an einer Krücke. Das tut aber seinen stimmlichen Fähigkeiten gar keinen Abbruch, und er meistert die Klippen dieses enormen Tenorparts mit exquisiten Timbre ausgezeichnet.

Friedeon Rosén

 

 

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