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FRANKFURT: GÖTTERDÄMMERUNG – Premiere

30.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: Götterdämmerung  29.1. 2012 Premiere


Claudia Mahnke (Waltraute), Susan Bullock (Brünnhilde). Foto: Monika Rittershaus

 An der Oper Frankfurt wurde jetzt Wagners Ring-Zyklus von Vera Nemirova (Regie) und Sebastian Weigle (Dir.) mit „Götterdämmerung“ abgeschlossen.

 Eine bedeutende einheitstiftende Funktion für alle 4 Ring-Teile ging von dem Bühnenbild aus, eine runde Drehscheibe mit fahrbaren Segmenten, die sich wie eine Achterbahn bewegen. Dieses einducksmächtige ‚Fahrwerk der Gefühle‘, das auch bei „Götterdämmerung“ die Bühne bestimmt, stammt von Jens Kilian. Ansonsten ist dieser Ring stark mythengeprägt, aktuelle (gesellschafts)politische Assoziationen werden kaum gewagt, Phantasie und die starke Personenregie der Regisseurin sind aber auch bei Götterdämmerung stark vorhanden.

Ein eindeutiges Highlight stellt die musikalische Interpretation des Orchesters  und seitens Sebastian Weigles dar. Im Graben wird so spannend erzählt, dass es sich, fast möchte man sagen, wie eine Verdoppelung des Bühnengeschehens darstellt. Es gelingt eine Darstellung, wie sie eigentlich bei einem Musikdrama sein soll: Bühne und Graben unterstützen sich gegenseitig und schaukeln sich bei wachsender Dramatik wechselweise hoch. Und hierbei sind besonders die Holzbläser gefragt, die mit bittersüß sehrendem Klang das Götterende ankündigen. Weigle wirft aber auch die gesamte Blechbläserkraft ins Gefecht und lässt so die die verschiedenen Orchestergruppen sinnig miteinander ihre Farben changieren. Am Ende zieht besonders der Trauermarsch, ohne Bühnenkondukt, in Bann, den Weigle in ganz gestrafftem Tempo nimmt, und am Ende bleibt die Power des Untergangs auch eher dem Orchester überlassen.

 Beim Prolog der Nornen sind alle (Halb)götter und Naturwesen auf der Scheibe präsent, und die von den exotisch wirkenden Nornen gespannten roten Seile reißen, da sie  improvisiert um die Götter gelegt keinen Halt mehr an der Weltesche finden. Bei Siegfried Abschied, davor von Brünnhilde gebadet, geht’s in die Katakomben bei den Gibichungen, wo Geheimdienstaugen per Video die Szene akkurat überwachen. So sinnig diese Szene ausfällt, so wenig ist Nemirova für die folgende Waltraute-Episode eingefallen. Sie zieht sich hin, da Claudia Mahnke, die auch eine Norn singt, bei schöner Stimme vom Timbre her der Brünnhilde Susan Bullock zu sehr ähnelt. Trotz ihrer kriegerhaften Ausstaffierung (Kost.: Ingeborg Bernerth) kann sie diesen wichtigen Disput nicht aufwerten. Die Entführung Brünnhildes hat dagegen auch ein witziges Moment, da Gutrune dem Siegfried Pumps für Brünnhilde in einer Plastiktüte mitgegeben hat. Wie mit schnellen Kleider- und Brillenwechseln  häufig und sinnig gearbeitet wird. Der Ringwechsel z.B.wird durch einen Brillenwechsel zwischen Brünnhilde und Siegfried, der Gunthers Brille trägt, verdoppelt. In der Mannen-Szene zeigt Nemirova, dass sie auch mit dem großen, gut disponierten Chor etwas anfangen kann. Größeres Gewicht als sonst wird auch, besonders nach der Dreier-Verschwörung, auf die Person Gunthers (Johannes Martin Kränzle mit eigenwillig hell, geradezu fahl timbrierten Bariton) gelegt.

Die Rheintöchterszene findet wieder mit lustigen Protagonistinnen mit Schlauchboot statt.  Die mit schönen Stimmen gesanglich opulent den ’neuen Harmonien‘ nachspürenden Britta Stallmeister, Jenny Carlstedt und Katharina Magiera hatten Siegfried schon im 1.Akt auf einer „Ellipsenbahn“ der Scheibe gerudert.- Gut psychologisch ausinszeniert erscheint auch Gutrune (Anna Fidelia Ulrich mit kristallinen, aber emotionalem Sopran). Die Helfershelfer des ‚Bösen‘ sind also aufgewertet, während die ‚positive‘ Brünnhilde (Susan Bullock mit ihrem frisch-dramatischen hellen Sopran) das Drama eher oratorial vollendet. Ganz am Schluß taucht Hagen (anfangs sehr verhalten: Gregory Frank) im Goldgewand seines Vaters Alberich (Jochen Schmeckenbecher, schön timbriert und sonor mit akkurat agogischer Gesangsphrase) wie ein Mephisto in der 1. Zuschauerreihe auf, während bei seinem „Zurück vom Ring“ alle Gegenkräfte auf der Scheibe unterhakend sich ihm ihm fröhlich entgegenstellen. Vorher hatte Brünnhilde Walhall mit einer Feuerlunte in Brand gesetzt. Meredith Arwady  mit rundem, orgelndem Alt und Angel Blue mit leichtem wohlklingendem Sopran komplettieren die Nornen.

Lance Ryan ist heute der Siegfried mit schimmerndem Heldentenor, füllt die Rolle in jeder Nuance aus und wirkt auch szenisch, mit ironischer Brechung sogar, unermüdlich. Nur wenn der Kanadier den Waldvogel nachahmen will, klingt es in der Tat eher piepsig. Es schmälert die Darbietung aber keinesfalls.

Friedeon Rosén

 

 

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