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FRANKFURT: „EDGAR“ von Puccini. Konzertant

16.02.2014 | KRITIKEN, Oper

Frankfurt: „EDGAR“  16.02. 2014

Unbenannt
Angela Meade. Foto: Wolfgang Runkel

 Fünf Jahre nach seiner ersten Opern-Komposition gelang „Edgar“ von Giacomo Puccini 1889 zur UA und seitdem taten sich die Opernhäuser schwer, dieses teils trivial anmutende Werk szenisch zu realisieren und wählten mehr die konzertante Aufführungspraxis, wie nun auch in zwei Vorstellungen der Oper Frankfurt. Edgar entstand auf der Grundlage des Versdramas „La Coupe et les Lévres“ von Alfred de Musset, in der Handlung ähnlich wie die Geschichte der Carmen: die rassige Schönheit Tigrana verführt den Bauernburschen Edgar, er verlässt seine Braut Fidelia, den Reizen der Exotin überdrüssig meldet sich Edgar zum Militär, kehrt später wieder zum verlassenen Mädchen zurück und dieses wird in Eifersucht von der rachsüchtigen Rivalin erstochen. Somit ließe sich das Drama kurz in den Worten des Romanciers fassen: „Zwischen Kelch und Lippen bleibt immer noch genügend Platz für ein Unglück“.

Musikalisch erscheint das Frühwerk des italienischen Meister-Komponisten von besonderem Reiz, weist es  bereits auf die späteren Erfolge hin und zeigt Puccini schon hier als Meister wunderbarer Melodien, lyrischen Momenten und dramatischen Kulminationen. So bezaubert zum Beispiel das ungemein gefühlvolle  Entree zum dritten Akt ganz besonders, wirkt das Gesamtwerk hingegen in seinem strukturellen Aufbau mehr dem Verismus geneigt und die süßlichen, süffisanten Ohrwürmer fanden noch spärlichen Einsatz. Somit boten hauptsächlich der erste und letzte Akt des Werkes effektvolle Momente von mitreißender Dramatik. Zwei bereits international renommierte, junge amerikanische Künstler gaben nun in Frankfurt ihr Haus- und Rollendebüt. Sichtlich nervös, in leicht kehliger Stimmführung begann Bryan Hymel den Edgar, doch sang sich der Sänger mit dem wohltimbrierten Tenor zunehmend frei, führte eine gesunde Stimme ins Feld, verströmte vokale Farbnuancen und Finessen, setzte Puccinis Kantilenen in flüssigen Melos um und gewann mit dieser prächtigen Gesangsleistung die Sympathien des Publikums.  In ihrem Element schien ebenso Angela Meade (Fidelia), bot vokale Kabinettstückchen in vollendeter Piani-Poesie, bestach mit apartem Sopran-Timbre, flexiblen, emotionell aufgeladenen Attacken und vereinte zudem naiven wie dramatischen Gestus in der famosen Gestaltung der Partie. Als Femme fatale erschien dagegen rollengemäß Tanja Ariane Baumgartner als verführerische Tigrana und wer hätte dieser  Assoziation der Sinnlichkeit wohl widerstehen können? Neben der ungemein optischen Präsenz überzeugte Frau Baumgartner mit  großer Musikalität, ihrem dunkel und warm schimmernden Mezzosopran, der geschmackvollen, bruchlosen Führung, dem herrlichen Fundament dieser Prachtstimme (Dalila lässt grüßen!). Elegant in der Linie, durchschlagskräftig selbst in den dynamischen Zwischentönen, mit wohlklingendem Fortissimo erwies sich Marco Vratogna in der Rolle des Frank, als markanter, baritonaler Gegenpol. In der leider viel zu kurzen Partie des Gualtiero ließ Kihwan Sim mit  klangschönem, voluminösem Bass aufhorchen. Großen Anteil am Geschehen hat die „Dorfgemeinschaft“ und demnach spielt der Chor eine gewichtige Rolle in diesem Werk.

Bestens vorbereitet erklangen  Kinderchor (Markus Ehmann) und Opernchor (Matthias Köhler) und überzeugten sowohl in den fröhlichen Momenten, den besinnlichen Passagen des Kirchengangs, als auch in den mächtigen Klangformationen der Verfluchungsszene.

Wartet die Edgar-Partitur zwar mit sehr dramatischen Segmenten, aber auch lyrischem Schmelz auf, vernachlässigte diese Marc Soustrot am Pult des prächtig aufspielenden Frankfurter Opern- und Museumsorchesters teils sträflich. Der französische Dirigent verwechselte oft Dramatik mit Lautstärke, führte zu knallig und aggressiv ins orchestrale Fortissimo. Diesen kleinen, persönlichen Eindrücken zum Trotz, schloss man Maestro mit dem famosen Orchester in die finalen Ovationen für alle Beteiligten mit ein. Dieser ungewöhnlich, musikalisch gehaltvolle Opernabend dürfte in die Annalen des Hauses eingehen.

Gerhard Hoffmann

 

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