Frankfurt: DON GIOVANNI am 25.5.2014
Christian Gerhaher (Don Giovanni). Foto: Monika Rittershaus
Im Vorspiel wird auch gezeigt, wie Giovanni durch eine alte heruntergekommene beschädigte Halle mit Ofenkamin (Einheitsbühne 1.Akt: Johannes Leiacker) zu den Gemächern des Komtur und seiner Tochter vordringt. Der heruntergefallene rote Bühnenvorhang begräbt den im Duell tödlich verwundeten Komtur, eben dieser Vorhang stürzt auch in der Schlußszene auf Giovanni nieder, wenn er sich den ultimativen Mahnungen des ’steinernen Gastes‘ widersetzt. Auf solche ‚Spiegelungen` und Figurenbrechungen kommt es Christof Loy bei seiner Mozart-Neuinszenierung an. Giovanni erkennt sich im Komtur ‚Auge in Auge‘ wieder und versteht, dass für ihn jetzt alles anders wird, was aber nicht heißt, dass er sich ändern wird. Dass er aber ab hier nur noch ein Getriebener ist, verdeutlicht sich bei der einsetzenden Werbung um Zerlina, nämlich dass hier seine Champagner-Arie nichts mehr prickelnd Lebenslustiges enthält, sondern in einem furios kraftmeierischen Gestus vorgetragen und von Christian Gerhaher auch so gesungen wird. Gegen Ende duldet er dann Elvira, die sich als seine Ehefrau betrachtet, in seiner Nähe, die letzlich auf den unter dem Vorhang Begrabenen niederfällt, um selber den Kundry-Tod wie am Gral zu sterben.
Es passiert nur ein kurzer Moment der Fraunsolidarität: Rache an Giovanni wegen Treulosigkeit. Das gelingt Loy, scharf anhand der Figuren herauszuarbeiten. Der 2.Teil spielt, nachdem der Eingangsdisput Giovanni – Leporello vor die 1.Zuschauerrreihe verlegt wurde, weitgehend vor einer großen hölzernen Hauswand ab mit sich öffnenden Luken, Fenstern und Törchen, wo teils die Damen bzw. die grade nicht involvierten Paare herauslugen. Das erinnert ein wenig an die Wirtshausszene mit Mariandl im ‚Rosenkavalier‘. Daß Giovanni und Leporello auf ‚alt‘ getylt werden, erscheint nicht neu, bei den entscheidenden Momenten der Liebesabenteuer können sie sich aber auf ihre Jugendkräfte verlassen. Ursula Renzenbrink steuert dazu auch für die Damen, bei Donna Anna schon etwas ans Kloster gemahnende schmucke Rokokotrachten bei.
Das Orchester stellt einen adäquaten Part dar und spielt gar nichts gegen die Dramaturgie des Stücks Gebürstetes, was natürlich auch keiner erwartet hat. Dirigent Sebastian Weigle kann bei den Komturmusiken harte angsteinflößende Akzente setzen (Pauken, Blech). Ansonsten belegt die schöne sonore Wiedergabe in allen Instrumentengruppen das Bonmot von ‚Giovanni‘ als ‚Oper aller Opern‘.
Einen soliden Komtur singt Robert Lloyd, der in seinen nicht sehr dunklen Baß auch Dämonisches einflicht. Björn Bürger/Masetto kann seiner Jugendlichkeit und seinem guten Aussehen gepaart mit einem ansprechendenden Bariton zugute halten, daß Zerlina dem Don doch nicht ganz verfällt. Grazia Doronzio ist eine fast larmoyante Zerlina mit großem, fast spintohaftem, dabei lieblich timbriertem Sopran und von starken Impulsen getrieben. Martin Mitterrutzner singt als Ottavio zu schön und kommt als Figur zu engelhaft-schemenhaft herüber, so daß ihn Donna Anna als immerhin Verlobten nicht völlig ignorieren kann. Juanita Lascarro /Elvira kann auf ihre exotische Wirkung bauen, aber im Gegensatz zu Zerlina schlägt ihr Hass auf Giovanni in Mitleid um. Auch erscheint sie liebesfähig,wie in der Szene mit Leporello betont. gesanglich durchdringt sie die Figur adäquat und gestaltet sie in wohlklingenden Koloraturen aus. Einen z.T. leuchtenden und sehr flexiblen Baßbariton singt Simon Bailey, wirkt oft wie ein Alter ego seines Herrn alias Christian Gerhaher, der hier nicht wie der strahlende Liedsänger sondern eher als Negativ-Projektion herüber kommt. Brenda Rae/D.Anna wirkt teils wie eine schlangenhafte Kunstfigur aus einem Stummfilm. diese Rolle ist neben der Zerbinetta ihre bisher gelungenste an der Frankfurter Oper. Mit ihrem sanft perlenden Timbre gestaltet sie diese zerrissene Frau bis in die letzten Poren aus.
Friedeon Rosén