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FRANKFURT: DIE TOTE STADT – glanzvolle Wiederaufnahme in Frankfurt

08.11.2015 | Allgemein, Oper

Glanzvolle Wiederaufnahme in Frankfurt:

„Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold (Vorstellung: 6. 11. 2015)

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Als Marietta brillierte die amerikanische Sopranistin Sara Jakubia (Foto. Barbara Aumüller)

Mit der neuerlichen Wiederaufnahme der Produktion „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold aus der Spielzeit 2009 / 10 feierte die Oper Frankfurt wieder einen überragenden Erfolg. Dass sie sich unter ihrem Intendanten Bernd Loebe stets auch selten gespielter Werke annimmt, zeichnet das Opernhaus Frankfurt seit Jahren aus und wird nicht nur vom Publikum gewürdigt, wie die vielen Auszeichnungen der letzten Jahre beweisen.

Die Handlung der Oper in drei Akten, dessen Libretto frei nach Georges Rodenbachs Roman Brugues-la-Morte Paul Schott (alias Julius Korngold) verfasste und das 1920 am selben Tag in Hamburg und in Köln uraufgeführt wurde, hebt auf raffinierte Weise die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit auf. In der „toten Stadt“ Brügge lebt der Witwer Paul völlig zurückgezogen, versunken in die Erinnerung an seine verstorbene Frau Marie. Als er der jungen Tänzerin Marietta begegnet, ist er von der frappierenden Ähnlichkeit mit der Toten hypnotisiert. Die beiden werden ein Paar, wobei Mariettas leichtfertiger Lebenswandel schon bald Pauls Eifersucht weckt. Als er erfährt, dass sie zudem ein Verhältnis mit seinem besten Freund Frank eingegangen ist, eskaliert die Situation. Ein Verbrechen scheint sich anzubahnen – Traum und Wirklichkeit sind nicht mehr auseinander zu halten.

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Paul (David Pomeroy) in einer seiner Traumphasen, in denen er seine verstorbene Marie (Sara Jakubiak) sieht (Foto: Barbara Aumüller)

Die psychologisch einfühlsame Inszenierung von Anselm Weber zieht mit phantasievollen Bildern, assoziativen Räumen und surrealen Elementen das Publikum von Akt zu Akt stärker in den Bann. Der Reliquienkult, den Paul in seiner „Kirche des Vergangenen“ um das Haar seiner verstorbenen Frau vollzieht, wird zum wesentlichen Moment. Daran knüpft sich jener Erlösungsgedanke, den der Regisseur in der katholischen Bilderwelt der morbiden flämischen Stadt Brügge erblickt (Bühnenbild: Katja Haß, Kostüme: Bettina Walter, Video: Bibi Abel). Man leidet mit dem Witwer Paul mit, ist von seinen Neurosen abgestoßen und befindet sich bald im unwiderstehlichen Sog der mitreißenden Musik, die Korngold mit 23 Jahren (!) geschrieben hat.

Dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester, das zu den besten Klangkörpern Deutschlands zu zählen ist, gelang es unter der Leitung von Björn Huestege meisterhaft, die expressiven veristischen Töne der Partitur genauso zum Erklingen zu bringen wie die betörend sinnlichen Klänge der Arien Glück, das mir verblieb und Mein Sehnen, mein Wähnen. Als am Schluss der Vorstellung dem Dirigenten ein Jubelorkan entgegen brauste, wehrte er bescheiden ab und zeigte auf sein Orchester. Eine im Opernbetrieb alles andere als alltägliche Geste!

Zum Gelingen des musikalisch großen Opernabends trug neben dem Orchester auch das exzellente, gut ausgewogene Sängerensemble bei. Allen voran in der Rolle des Paul der kanadische Tenor David Pomeroy, der schauspielerisch seine Neurosen auf eindrucksvolle und fast beängstigende Weise darstellte und stimmlich kraftvoll und wortdeutlich sang. Eine Meisterleistung. Ihm ebenbürtig die amerikanische Sopranistin Sara Jakubiak als Marietta, die gleichfalls darstellerisch wie stimmlich erstklassig agierte und dazu auch die für diese Rolle nötige erotische Ausstrahlung hatte.

In der Doppelrolle Pauls Freund Frank und Fritz, der Pierrot, brillierte der Bariton Björn Bürger. Seine mit Inbrunst gesungene Arie Mein Sehnen, mein Wähnen zählte zu den absoluten Höhepunkten des Abends. Überzeugend auch die russische Mezzosopranistin Maria Pantiukhova als Pauls Haushälterin Brigitta sowie die schwedische Sopranistin Anna Ryberg in der Rolle der Tänzerin Juliette und die finnisch-schwedische Mezzosopranistin Jenny Carlstedt als Tänzerin Lucienne.

Die gute Ensembleleistung rundeten in zwei kleineren Rollen noch der junge Tenor Michael Porter als Regisseur Victorin und der Tenor Hans-Jürgen Lazar als Graf Albert ab. Für Begeisterung sorgte als Mitglied der Komödianten-Truppe der Solotänzer Alan Barnes mit seiner artistischen Tanzperformance. Eindrucksvoll auch der Chor (Einstudierung: Tilman Michael) und der Kinderchor (Dae Myeong Park).

Am Schluss der Vorstellung minutenlanger, nicht enden wollender Applaus des begeisterten Publikums mit zahlreichen Bravo-, Brava- und Bravi-Rufen für das Sängerensemble, das Orchester und seinen Dirigenten. Als Rezensent schließe ich mich mit einem „Bravo!“ an den Intendanten Bernd Loebe für die Wiederaufnahme dieser Produktion an.

Udo Pacolt

 

 

 

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