Deanna Pauletto (A Wintery Spring), (c) Monika Rittershaus
Frankfurt: A Wintery Spring (Saed Haddad) & Il Serpente di Bronzo (Jan Dismas Zelenka) 1.3.2017
Im Bockenheimer Depot werden erstmals zwei Kurzopern, die über 300 Jahre auseinanderliegen, zusammen gespielt. Als Autragswerk der Oper Frankfurt erklingt ‚A Wintery Spring’/Ein winterlicher Frühling, Uraufführung des dramatischen Lamento des aus Palästina stammenden Saed Haddad auf Gedichte von Khalil Gibran, sowie Il serpente di bronzo/Die bronzene Schlange des Barock-Komponisten J.D.Zelenka, eine Kantate nach dem „Exodus“ des Alten Testaments von B.Pallavicini in der szenischen Erstaufführung. Für die Zusammenkopplung beider Werke zeichnet die Regisseurin Corinna Tetzel verantwortlich, da beide in der Wüste des Nahen Ostens spielen.
Der ‚Winterliche Frühling‘ stellt eine Gegenüberstellung von Tradition und Wandel in einigen arabischen Ländern im Spiegel des Arabischen Frühlings seit 2010 dar. Anhand von vom Komponisten arrangierten Gedichten des Exillibanesen Khalil Gibran aus den 1930er Jahren enstehen drei Szenen, die exemplarisch für die Situation nach dem gescheiterten arabischen Frühling stehen sollen: 1) ‚Neue Grenzen‘, 2)‘ Meine Landsleute‘, 3) ‚Mein Volk ist tot‘. Das Libretto ist sehr sehr poetisch und sprachgewaltig, wird aber hauptsächlich in Einblendungen projiziert, eher wenig versungen. Der verschleierte Sopran (Alison King) steht für die immer wiederkehrende Vergangenheit, der Alt (Deanna Pauletto) in seiner Drapierung für die Ideale des arabischen Frühlings. Der Baßbariton Brandon Cedel gibt vorn vom ‚Regietisch‘ Kommentare dazu. Die Musik von S.Haddad bewegt sich fast anspruchslos im tonalen Bereich, sauber exekutiert vom hier eher streicherlastgen Ensemble Modern.
In der Bronzenen Schlange ist die wie aus Pappmaché anmutende Wüstenbühne mit unegelmäßigen Einbuchtungen (Stephanie Rauch) von einem von hinten nach vorne führenden Steg überbrückt, auf dem eine Art Patchworkfamilie, die auch von der modernen Gewandung her (Wojciech Dziedzic) eine heutige Flüchtlingsfamilie darstellen könnte, die Mose in die Wüste folgt. In der Inszenierung werden Schlangenbisse nicht gezeigt. Ein ‚Freezing‘ findet aber statt, indem den Exilierten Tücher mit aufgemalten Gesichtern
übergeworfen bekommen, unter denen sie stumm lange ausharren. Schließlich schreitet Moses tatsächlich unter einem Schlangenjoch den Steg hinab, das ihm von den erfreuten Patchworkern abgenommen und wie eine Monstranz im Depot herumgetragen wird.- Man erkennt in der Kantatenmusik sofort den Bach-Zeitgenossen Zelenka wieder. Solisten des Ensembles verstärken den Eingangs- und Schlußchor. Das Ensemble Modern unter der Leitung von Franck Ollu spielt z.T. ganz saftig auf.
Die Frauen heißen Egla und Namuel, beide Mezzosoprane, dargestellt von den eigentimbrierten schönstimmigen Cecelia Hall und Judita Nagyová, die sich aber auch um das im Sand spielende Kind streiten. Brendon Cedel trägt bramabassierend den ‚Dio‘ vor. Den Azaria gibt Dmitry Egorov mit sich in die Emphase steigerndem Counter. Den schwankenden Mose stellt der schönstimmige Tenor Michael Porter dar.
Friedeon Rosén