Francis Breyer
SCHWARZE PHARAONEN
Nubiens Königreiche am Nil
238 Seiten, Verlag C.H.Beck, 2021
Wenn heute von der Kunst Schwarzafrikas die Rede ist, meint man neben den Masken, die auf dem ganzen Kontinent entstanden sind, vor allem die Benin Bronzen, die Speckstein-Vogel-Figuren aus Simbabwe – und die Pyramiden von Meroe, die man nicht ins Museum tragen konnte, sondern die man im tiefen Afrika selbst suchen muss. Rund um sie hat sich der Begriff der „Schwarzen Pharaonen“ verfestigt, denen nun Francis Breyer von der der Universität Bonn eine ebenso übersichtliche wie anschauliche Untersuchung widmet.
Breyer ist zwar selbst Ägyptologe und weiß daher, dass es das weit spektakulärere Ägypten mit seiner faszinierenden Geschichte war, das lange den Blick auf Nubien verstellt hat. Er selbst ist aber auch Altorientalist und als solcher Fachmann auch für die alten Kulturen von Nubien und Äthiopien.
Dabei ist „Nubien“ heute ein historischer Begriff, deckt sich räumlich inetwa mit dem Sudan und dem südlichen Ägypten ab dem ersten Katarakt. Diese sechs Katarakte behindern von Assuan bis Meroe und Naga den Lauf des Nils durch Stromschnellen, die sich an Steinbarrieren bilden. Dort, wo der Fluß nicht mehr schiffbar war und man ihn am Rand entlang überwinden musste, bildeten sich natürliche Grenzen zwischen politischen Reichen.
Der Lebensraum und vielfach auch die Kultur der Nubier reichen bis ins 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. zurück, sind also ähnlich alt wie das Ägyptische Reich im Norden. Für dieses war Nubien stets ein Objekt der Begierde – denn dort „war viel zu holen“, wie es der Autor ausdrückt, dort gab es heiß begehrte Artikel wie Gold (aus Steinen heraus geklopft und dann aus dem Schotter heraus gewaschen), Elfenbein, wertvolle Hölzer, Spezereien, Tierfelle. Und Menschen, die man sowohl für die Arbeit wie auch für das Militär in Ägypten gebrauchen konnte. Als die Nubier sesshaft wurden, Ackerbau und Rinderzucht betrieben (ihre durchaus kunstvolle Keramik diente auch der Aufbewahrung von Milch), entstanden Städte und Königreiche, die sich immer wieder in Auseinandersetzungen mit Ägypten verwickelt sahen.
Meist wurden sie besetzt und besiegt, einmal aber auch haben die Nubier den Spieß umgedreht, haben Ägypten erobert und stellten als „schwarze Pharaonen“ dort die 25. Dynastie. Diese wurde dann allerdings nicht von den Ägyptern, sondern den Assyrern entmachtet.
Der Autor durchschreitet die jahrtausendelange Geschichte Nubiens, lange auch als das Reich von Kusch bekannt, über die Auflösung der Alten Reiche hinaus bis zur Christianisierung und Islamisierung der Region im 19. Jahrhundert, bis zum Staat Sudan, der (nicht zuletzt durch die kriegerischen Verhältnisse in Darfur, die auf die Stammesstruktur der afrikanischen Völker zurück geht) international einen verheerenden Ruf genießt. Dabei durchstreift Francis Breyer die politische und kulturelle Geschichte ebenso wie die der Archäologie und Forschung. Der Einfluß Ägyptens ist vor allem in der Kultur vielfach feststellbar (und wird auch in Fotos und Zeichnungen demonstriert).
Es gab interessante Höhepunkte der Geschichte, wobei der Autor gleich am Anfang darauf hinweist, dass Roms Kaiser Augustus erfahren musste, dass seine Truppen, die in Afrika unterwegs waren, auf den Widerstand kämpfender Frauen, die von einer Königin geführt wurden, stießen. Dabei musste Augustus in anschließenden Verhandlungen der damaligen Königin Nubiens eindeutige Zugeständnisse machen…
Was blieb von allem? fragt der Autor am Ende. Wie so oft haben vor allem die Steine überlebt. Aber auch die Lebensform der Menschen ist seit Jahrtausenden gleich geblieben. Der Abglanz einstiger Macht sei, wird versichert, noch heute zu spüren. Allerdings sind Reisen in den Sudan rar und gelten als gefährlich, so sehr die Pyramiden von Meroe auch locken mögen…
Renate Wagner