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Florenz: DONATELLO – IL RINASCIMENTO

13.07.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Florenz / Palazzo Strozzi und Museo Nazionale del Bargello: Donatello – Il Rinascimento.
Bis 31. Juli 2022 

Florenz = Renaissance = Donatello

Es gibt wohl keine Stadt, die für eine kunsthistorische Epoche in ihrer Gesamtheit so prägend, ja zum Synonym geworden ist, wie Florenz für die Renaissance. An keinem anderen Ort der Welt findet man die zentralen Werke dieser – unser ästhetisches Empfinden noch heute prägenden – Zeit so vollständig versammelt wie hier, in Malerei, Plastik und Architektur, von Giotto über Masaccio, Brunelleschi, Botticelli bis Michelangelo.

Und Donatello. Die gemeinsam vom Florentiner Palazzo Strozzi, der Berliner Gemäldegalerie und dem Victoria & Albert Museum, London, veranstaltete Ausstellungsserie identifiziert den Bildhauer mit der Epoche: In Florenz lautet der Untertitel „Il Rinascimento“, in Berlin „Der Erfinder der Renaissance“. Ein bloßer Verkaufstrick?

Nein. Schon Vasari hat in seinen prägenden Künstlerbiographien Donatello im Rückblick als „regola degli altri“ bezeichnet, als Maß und Vorbild aller anderen Bildhauer der Frührenaissance. Allein seine Schaffenszeit, die die ersten beiden Drittel des Quattrocento umspannte, macht ihn zu einer Jarhrhundertgestalt.

Von ihm sind Werke in Marmor, Bronze, Holz und Terrakotta erhalten und sie dokumentieren – noch ausgehend von der Gotik – die Wiedergeburt der Antike. Die Entdeckung des nackten menschlichen Körpers in der Skulptur der Neuzeit ist ihm verdanken: Der Bronze-David – Vorbild für Michelangelos überdimensionale Marmorskulptur – ist die erste freistehende männliche Aktplastik seit dem Altertum.

Mit einem David des Zwanzigjährigen, diesmal aus Marmor, beginnt die Ausstellung im Palazzo Strozzi. Flankiert wird sie vom ältesten überlieferten Werk Donatellos, dem Holzkruzifix aus Santa Croce; daneben ein zweiter Gekreuzigter, diesmal entlehnt aus der Kirche Santa Maria Novella von Brunelleschi, der als Entwerfer der Florentiner Domkuppel berühmt werden sollte. Daraus wird schon klar, was die unvergleichliche Leistung dieser Ausstellung ist: Sie kontrastiert Kunstwerke, die man sonst nur in Abbildungen mit einander vergleichen kann. Und man kommt am originalen Aufstellungsort natürlich nie dermaßen auf Tuchfühlung mit den Objekten.

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Nächster Paukenschlag: Vom Taufbrunnen in Siena, der mit vergoldeten Bronzereliefs von Ghiberti, Jacopo della Quercia und eben Donatello geschmückt ist, wurde erstmals das revolutionäre „Gastmahl des Herodes“ (um 1425) abgelöst und verliehen. Es ist das früheste Beispiel für einen zentralperspektivischen Bildraum im Relief und hatte damit auch auf die zeitgenössische Malerei großen Einfluss. Damit erinnert es auch an den großen Wettstreit, den Paragone, eine kunsttheoretische Auseinandersetzung im Schrifttum der Renaissance über die Frage, welcher Kunstgattung der Vorrang zu geben sei – der dreidimensionalen Skulptur oder der zweidimensionalen Malerei.

Dabei vertrat das Relief in der von Donatello entwickelten Form des „rilievo schiacciato“, des extremen („gequetschten“) Flachreliefs, die Funktion des Tafelbildes: Auf nur wenigen Millimetern Reliefhöhe schildert der Bildhauer in drei Raumfluchten hintereinander, die schreckenerregende Präsentation des abgeschlagenen Johanneshauptes. Nie noch ist der Kunstfreund so nahe an dieses Wunderwerk herangekommen. Gleich daneben ist ein „Quetsch-Relief“ im Großformart präsentiert, die sogenannte Pazzi-Madonna aus Berlin. Und im Palazzo Bargello, der zweiten Ausstellungsstation in Florenz, kann man an der Basis der Georgs-Skulptur die Urform des rilievo schiacciato studieren: Georg erlegt vor der gefangenen Prinzessin den Drachen.

Zwei weitere Gegenstücke in vergoldeter Bronze im Palazzo Strozzi: Der Bischofs-Heilige Ludwig, einst an Or San Michele aufgestellt, nun in Santa Croce aufbewahrt, und das Reliquiar des San Rossore aus Pisa, schon durch den Prunk des Materials ein überwältigendes ästhetisches Erlebnis.

Die Toskana hat tatsächlich ihre Donatello-Schätze in den Palazzo Strozzi gesandt: Die Täuferstatue und eine Grabplatte aus dem Dom von Siena, außerdem zwei zierliche Allegorien aus dem Baptisterium (Spes und Fides) die Außenkanzel von Prato. Daneben Leihgaben aus London, Paris, New York und Detroit. Gemälde von Masaccio, Ucello, Mantegna und Bellini zeigen den Einfluss, den die Skulpturen Donatellos auf die zeitgenössische Malerei hatten.

Auch das Spätwerk in seiner spröden, fast expressionistischen Manier ist in Hauptwerken und überraschenden Leihgaben präsent. Das Kruzifix und zwei Reliefs aus der Antoniusbasilika in Padua sind ebenso vertreten wie die berühmten Bronzetürflügel aus der Florentiner Kirche San Lorenzo. Das Geheimnis für die großzügige Leihbereitschaft liegt in dem Umstand, dass anlässlich der Ausstellung ebenso großzügige Restaurierungsprojekte starteten, die den Kunstwerken einen neuen Glanz verleihen, wie man ihn in keinem Kunstbuch findet.

Während der Palazzo Strozzi das Gesamtwerk chronologisch mit Vergleichsbeispielen in einer bisher unerreichten Form präsentiert, kann der Bargello mit seinem Fixbestand, vor allem dem Bronze-David und dem Idealritterbildnis des heiligen Georg, punkten. Daneben zeigt er anhand von Leihgaben aus Europa und USA, wie sich der Einfluss Donatellos bis ins 16. Jahrhundert fortpflanzte. Flachreliefs des Bildhauers zeitigten ihren Einfluss auf die großen Drei der Hochrenaissance- Leonardo, Raffael und Michelangelo (von ihm ist das Frühwerk der Madonna della Scala aus der Casas Buonarotti entlehnt worden); aber auch noch der Manierismus bediente sich beim Formenrepertoire, das Donatello entwickelt hatte.

Jenseits dieser beiden Ausstellungsorte bietet die Stadt Florenz Hauptwerke Donatellos – die Kanzeln in San Lorenzo, die Marmorwerke für den Dom im Dommuseum, die Cavalcanti-Verkündigung in Santa Croce und die Statuen für Or San Michele. Damit werden die folgenden Ausstellungen in Berlin und London nicht mithalten können. Aber wo immer man in nächster Zeit Donatellos Werk studiert, wird man um die Erkenntnis nicht herumkommen: Ja, er hat die Renaissance (mit)erfunden.

Alexander Marinovic

Die Ausstellung ist anschließend in  Berlin, Gemäldegalerie, zu sehen: Donatello – Erfinder der Renaissance. Vom 2. September 2022  bis zum  8. Jänner 2023

 

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