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FLENSBURG / Schleswig-Holsteinisches Landestheater: MEPHISTO

Uraufführung

04.04.2022 | KRITIKEN, Theater

Schauspiel nach dem Roman von Klaus Mann
nebst einem Vorspiel auf dem Theater für die Bühne
eingerichtet von Wolfgang Hofmann

 

Der Roman „Mephisto“ von Klaus Mann wurde im Jahr 1936 im holländischen Exil veröffentlicht, nachdem Mann zuvor in einem eigenen Theaterensemble unter anderem mit Gustaf Gründgens auf der Bühne stand. In der Emigration mit den Stationen Amsterdam, Zürich, Prag, Paris und schließlich den USA wurde Klaus Mann zur zentralen Figur der internationalen antifaschistischen Publizistik. 1949 begann er Suizid. In Deutschland erschien „Mephisto“ erst 1956 in Ostberlin. Das Erscheinen in der BRD wurde von Gustaf Gründgens und seinen Erben sogar bis 1981 juristisch unterbunden. Neben zahlreichen anderen Weggefährten Manns, die im Buche neben weiteren historischen Persönlichkeiten nachgezeichnet werden, ist der Protagonist dieses Romans, Hendrik Höfgen, an die Person und das Wirken Gründgens angelehnt, wobei der Autor betonte, dass es ihm daran lag, „einen Typus darzustellen, und mit ihm die verschiedenen Milieus (…), die soziologischen und geistigen Voraussetzungen, die einen solchen Aufstieg erst möglich machten.“

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Marek Egert als Mephisto (Foto: Henrik Matzen)

Der unbedeutende Provinzschauspieler Höfgen arbeitet, getrieben vom unbedingten Willen als Künstler an die Spitze zu kommen, hart und leidet regelmäßig an Nervenzusammenbrüchen. Der Schlüssel seines Erfolges besteht wohl vor allem in seinen anpassungsfähigen Moralvorstellungen, die ihm Erfolg in unterschiedlichen politischen Systemen garantieren. Seine eigene Karriere bestimmt stets sein Handeln, dennoch rettet er durch seinen Einfluss in höchsten politischen Kreisen auch den systemkritischen Freund Otto Ulrichs aus dem Konzentrationslager.

Am Schleswig-Holsteinischen Landestheater Flensburg stand nun die Uraufführung der Bühnenfassung von Wolfgang Hofmann auf dem Programm und diese darf getrost als voller Erfolg bezeichnet werden. Hofmanns Interpretation (er zeichnet sich ebenfalls für die Regie verantwortlich) beginnt mit einer detaillierten Millieustudie des Schauspielerberufs. Das Publikum darf den Akteuren bei den Vorbereitungen für die bald beginnende Vorstellung beiwohnen und erfährt spielerisch, wie Künstler insbesondere vor der Aufführung und auch ganz allgemein ticken. Hier eröffnet sich dem Publikum eine Welt, die ihm normalerweise verborgen bleibt. 

Nach diesem Vorspiel nimmt sich Hofmann der eigentlichen Handlung an. Es gelingt dem routinierten Theatermann die Geschichten, Charaktere und vor allem auch die zeitlosen Mechanismen kurzweilig und oftmals unterhaltsam umzusetzen. Hierbei werden langwierige Handlungsstränge, wie Beispielsweise die vorab geplante und karrierefördernde Bekanntschaft Höfgens mit Barbara Bruckner über die Hochzeit der beiden bis hin zur Hochzeitsnacht in wenigen Augenblicken gezeigt, wohingegen der nicht gerade „erfolgreichen“ Hochzeitsnacht selbst eine wesentlich längere Szene eingeräumt wird. In dieser wird glasklar, dass Höfgen an der Person, die er gerade geheiratet hat, überhaupt kein Interesse hat, sondern emotional und sexuell der nicht gesellschaftsfähigen (SM-)Beziehung zu Juliette Martens (im Roman eine dunkelhäutige Dame, hier durch einen männlichen Schauspieler dargestellt) nachtrauert, aber die Hochzeit mit der Tochter von Geheimrat Bruckner einen systemkonformen Baustein seiner Karriere darstellt. Regisseur Hofmann versteht es hervorragend, die atmosphärisch wichtigen Szenen detailliert und äußerst fein herauszuarbeiten. Im Kontrast zu der sich manchmal in atemberaubender Geschwindigkeit abspielenden äußeren Handlung entwickelt sich auf diese Weise fast ein revueartiges Empfinden, was die knapp zwei Stunden Spieldauer wie im Fluge vergehen lässt. 

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v.l.: Friederike Pöschel, Kristin Heil, Marek Egert (Foto: Henrik Matzen)

Dieses Phänomen gelingt freilich nur durch die intensive konzentrierte Ensembleleistung aller Akteure auf der Flensburger Bühne. Allen voran brilliert Marek Egert in der großen Rolle des Hendrik Höfgen. Subtil vermittelt er dem Publikum die Zerrissenheit der Person Höfgen, die neben dem Karrierestreben so viele weitere Aspekte in sich vereint und insbesondere darauf bedacht ist, belastende Aspekte seines Handelns zu verdrängen. 

Alle weiteren Schauspieler sind in mehr als einer Rolle zu sehen und ermöglichen gemeinsam den spannungsgeladenen Erfolg der Inszenierung. Kristin Heil ist eine Schauspielerin, deren Karriereweg ich sehr gerne weiter verfolgen möchte, da sie sehr akzentuiert und gleichsam natürlich auf der Bühne agiert. Des weiteren tragen Felix Ströbel, Anna Eger, Beatrice Boca, Gregor Imkamp, Reiner Schleberger, Dennis Habermehl und Friederike Pöschel zum großartigen Gelingen des Abends bei.  

Das Bühnenbild von Lars Peter ist ebenso wie die Kostüme von Claudia Krull im besten Sinne des Wortes als werktreu zu bezeichnen. Als Besonderheit wird in vielen Szenen ein goldener Vorhang verwendet. Der Vorhang gilt schlechthin als Inbegriff des Theaters. In dieser Inszenierung trennt er nicht klar zwischen der einen und der anderen Welt. Die Darsteller beziehen ihn ins Spiel mit ein und verstecken und verwickeln sich vereinzelt sogar in ihm. Wie überall sind die Grenzen fließend und vielleicht symbolisiert genau dieses zentrale Element der Inszenierung den Werdegang von Opportunisten wie Höfgen/Gründgens und so vielen anderen mehr am allerbesten.

Der an sich historische Hintergrund der Handlung lädt durch seine unmittelbare Darstellung dazu ein, sich selbst die Frage zu stellen, ob man aus eigener Bequemlichkeit oder gar zum eigenen Vorteil zu den Mitläufern gehören würde oder bereit wäre, den unbequemeren Weg zu gehen. 

Marc Rohde

 

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