Finnland fasziniert auf vielfältige Weise, 11.08. 2013
von Ursula Wiegand
Land der tausend Seen wird Finnland genannt, doch das ist arg untertrieben. Nach Regierungsangaben sind es 188.000, wobei aber schon 100 qm große (kleine) Gewässer als Seen gelten.
Wahrscheinlich bedeutet das Weltrekord, und diesbezüglich haben die wackeren Finnen noch mehr zu bieten: Sie sind Weltmeister im Kaffeetrinken und Europachampion im Eisessen. Frisch gepflückte Blaubeeren auf sahnigem Vanilleeis – für viele Zurzeit die Nr. 1 auf der Genuss-Skala.
Helsinki, die Fryderyk Chopin und die Alexander von Humboldt. Foto: Ursula Wiegand
Ein optischer Hochgenuss war zweifellos das Eintreffen der Windjammer Mitte Juli während der Tall Ship Race 2013. Dicht an dicht ankerten sie im Hafen von Helsinki, die dunkelgrüne „Alexander von Humboldt“ aus Bremerhafen neben der weißen „Fredyryk Chopin“ aus Danzig.
Gegenüber, ebenfalls in brillanten Weiß, die „Christian Radich“ aus Norwegen und die „Mir“ aus Russland. Dahinter, in dramatischem Schwarz, das russische Segelschulschiff „Krusenstern“, bis Kriegsende die deutsche „Padua“ (ein Schwesterschiff der „Pamir“ und der „Passat“). Als Reparationsleistung ging sie 1946 an die Sowjetunion. Aus dem Fenster vom Hotel „Radisson Blu Seaside“ hatten wir all’ die schönen Oldtimer und das Besuchergewimmel bestens im Blick.
Helsinki, die Segel der Linden hochziehen. Foto: Ursula Wiegand
Auch unser Schiff, die „Linden“ (ein Nachbau), kann sich sehen lassen. Kräftig müssen wir zupacken, um die schweren Segel hochzuziehen und können erst dann die übers Wasser ragende „Domkirke“ bewundern, gebaut nach den Plänen von Carl Friedrich Engel, der um 1830 Helsinkis gesamtes Zentrum konzipierte.
Helsinki, die Domkirke blickt über die Bucht. Foto: Ursula Wiegand
Ziel ist Suomenlinna, die frühere Festungsinsel, die während der Schwedenzeit die Hauptstadt schützte. Die Anlagen sind komplett erhalten, in ihrer Art einzigartig und daher ein UNESCO-Weltkulturerbe.
Seefestung Suomenlinna aus schwedischer Zeit, Weltkulturerbe. Foto: Ursula Wiegand
Darüber hinaus ist Suomenlinna ein beliebtes Spazier- und Picknickziel. Ständig huscht ein kleines Fährschiff zwischen Helsinki und der Insel hin und her.
Ein nur wenig größeres Schiff besteigen wir am Hafen von Rauma, einem Städtchen an Finnlands Westküste. Tapfer kämpft es sich durch den Bottnischen Meerbusen bis nach Kylmäpihlaja, einem 10 km entfernten Inselchen auf dem 61. Breitengrad. Geschickt legt der jugendliche Kapitän im winzigen Hafen an, den auch Segler mitunter ansteuern.
Insel Kylmäpihlaja, der kleine Hafen. Foto: Ursula Wiegand
Den hohen rot-weißen Leuchtturm haben wir schon von ferne gesehen, und der bietet 10 Doppel- und 2 Vierbettzimmer. Der Empfang ist herzlich, ein Fahrstuhl aber Fehlanzeige. Das Gepäck müssen wir hochschleppen, je nach Zimmerwahl bis zum 7. Stock.
Insel Kylmäpihlaja, Leuchtturm, nun ein Hotel mit Aussicht. Foto: Ursula Wiegand
Einfache Räume sind es mit Etagentoiletten und –duschen, jedoch mit großartiger Aussicht. Die macht alles mehr als wett. Im Parterre lädt eine schlichte Kapelle zum Gebet.
Insel Kylmäpihlaja, Kapelle im Leuchtturm. Foto: Ursula Wiegand
Luxus pur beschert dagegen die ursprüngliche Natur. Zur Landseite fast ein Dickicht in Grün, am Meer sind es von Wellen glatt gewaschene Granitplatten. Ein faszinierendes Eiland, bevölkert von gefiederten Gästen.
„Bitte vorsichtig gehen und den Nestern nicht zu nahe kommen, sonst werden die Vögel ärgerlich,“ lautet die Warnung. „Angry birds“ witzelt ein Besucher. Doch die Wildgänse, die am Abend aus dem Buschwerk zu den sonnenwarmen Steinen am Wasser watscheln, bleiben ganz friedlich.
Insel Kylmäpihlaja, Wildgänse am Meer. Foto: Ursula Wiegand
Zum Leuchtturm gehört auch ein Restaurant, und dort wird lecker gekocht. Eine bemerkenswerte Leistung, muss doch alles hierher transportiert werden. Zu später Stunde gibt’s draußen überm offenen Feuer noch gegrillte Würstchen und Lachs und dazu einen prachtvollen Sonnenuntergang. Rot glüht der weite Himmel über den nun blauschwarzen Ostseefluten.
(Kontakt unter www.kylmapihlaja.com , E-mail: info@kylmapihlaja.com . Wir sprechen Deutsch, steht auf der Website. Nur eine zeitige Buchung sichert eines der begehrten Zimmer).
Der Abschied fällt schwer, doch das Städtchen Rauma versüßt ihn uns. Immerhin besitzt es gleich zwei von Finnlands sieben Welterbestätten. Eine heißt Sammallahdenmäki, benannt nach einem Hügel nahe dem Vorort Lappi.
Sammallahdenmäki, Grabanlagen, Bronzezeit, Weltkulturerbe. Foto: Ursula Wiegand
Auf den ersten Blick sind es nur Steinhaufen mitten im Wald, doch in dieser Gegend gibt es keine derartigen Steine. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich exakt gefügte Ränder, Konturen und Öffnungen. Wann, warum und wie wurden sie über weite Strecken hierher gebracht?
Sammallahdenmäki, Grabanlage aus der Bronzezeit, mit Randmauer, Weltkulturerbe. Foto: Ursula Wiegand
Nach neueren Forschungen und Knochenfunden waren es zunächst Menschen der Bronzezeit, später der Eisenzeit, die sie vermutlich zu Grabanlagen aufschichteten. Die ältesten stammen von 1500 – 1000 v.Chr., die jüngeren – nach einer rätselhaften Pause – entstanden bis kurz vor Jesu Geburt. Einst – vor der dortigen Landhebung – waren sie weit näher am Meer, von See her zu sehen und damit auch eine Machtdemonstration. Doch ein Mysterium sind sie geblieben. (Infos unter http://whc.unesco.org/en/list/579).
Raumas aus Holz gebaute Altstadt ist Weltkulturerbe. Foto: Ursula Wiegand
Rauma selbst, die 1442 gegründete drittälteste Stadt Finnlands, zählt ebenfalls zum Weltkulturerbe, und das wegen seiner komplett erhaltenen hölzernen Altstadt. Die rund 600, mit Schnitzwerk verzierten, teils weißen, teils farbigen Häuser bieten ein fröhliches Bild. Sie künden vom einstigen Reichtum durch den Seehandel und sind noch immer bewohnt. Lebendiger Mittelpunkt ist der Altstadtmarkt.
Rauma, Heilig Kreuz Kirche. Foto: Ursula Wiegand
Die einen kaufen, wie unsere Begleiterin Irene, dort gerne frisches Obst und Gemüse, andere sitzend plaudernd im Sonnenschein. Und alle sind stolz auf die 500jährige Heilig Kreuz Kirche, Relikt eines Franziskanerklosters, das zwei Stadtbrände überstanden hat.
Rauma, Heilig Kreuz Kirche, alte Altartafeln total. Foto: Ursula Wiegand
Staunend und schmunzelnd betrachten wir das alte Altarbild im linken Seitenschiff, ein beherzt geschnitztes Werk froher Frömmigkeit.
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Rauma, Heilig Kreuzkirche, alte Altartafeln, die Hl. drei Könige. Foto: Ursula Wiegand
Im Juli macht jedoch die nördlicher gelegene Stadt Pori mit ihrem traditionellen Jazz-Fest das Rennen, ein Outdoor-Ereignis seit 48 Jahren. Weltstars waren hier zu Gast und sind es nach wie vor.
Pori Jazz, im Juli 2013 zum 48. Mal. Foto: Ursula Wiegand
Mit Picknickkörben und Getränketaschen rücken stets tausende Musikfreunde an, sitzen zumeist auf Decken am Boden und harren auch bei Regenschauern unverdrossen aus. Bei „Earth, Wind & Fire“ hält es viele ohnehin nicht mehr auf ihren Plätzen. Immer mehr Menschen aller Altersstufen tanzen begeistert vor der Bühne.
Pori Jazz, Schlusstag mit Vesa-Matti Loiri. Foto: Ursula Wiegand
Höhepunkt und krönender Abschluss war der Auftritt des 68jährigen Film- und Song-Stars Vesa-Matti Loiri. Der hampelt nicht herum, der trägt seine Balladen im Sitzen vor, unterstreicht sie mit nur wenigen Gesten und zieht doch alle in seinen Bann. Nach vielen bunten Jahren lebt er jetzt alleine in einem Haus in Lappland, weiß Begleiterin Virpi.
Pori, Strand von Yyteri. Foto: Ursula Wiegand
Und danach? Dann lockt Poris 6 km langer Sand- und Dünenstrand Yyteri, auch Finnlands Riviera genannt. Trotz der Sonne gehen einige lieber am Wasser entlang, andere stürzen sich in die Fluten, wir baden trotz Sauna-Training nur die Füße. „Den Sand von Yyteri haben wir den ganzen Sommer in den Schuhen,“ lacht Gästeführerin Maria.
Als junge Frau hat sie in Krefeld Textilingenieur studiert, später viele Jahre in Frankreich, Spanien und Ecuador gearbeitet. Sie spricht 6 Sprachen, ist nun aber in ihre geliebte Heimat zurückgekehrt. Genauer gesagt auf die durch eine Straße mit dem Festland verbundene Insel Reposaari.
Insel Reposaari, Teppichwäsche in Meeresnähe. Foto: Ursula Wiegand
Hier lebt sie nun wieder nach finnischer Art, reinigt nach alter Sitte ihre Wollteppiche in einer Waschanlage am Meer, genau wie das gerade ein Mann dort tut. Kräftig kurbelt dann eine junge Frau, um das Wasser aus dem Teppich zu pressen. Eine anstrengende Tätigkeit, aber ganz selbstverständlich erledigt. Auch das fasziniert uns verwöhnte Großstadtmenschen.
Auskünfte über ganz Finnland auch auf Deutsch unter www.visitfinland.com . Infos auf Deutsch bietet auch Helsinki unter www.visithelsinki.fi . – Rauma und Pori informieren auf Finnisch und Englisch unter www.visitrauma.fi bzw. www.maisa.fi .