Filmstart: 24. Juli 2020
SIBYL – THERAPIE ZWECKLOS
Sibyl / Frankreich / 2019
Drehbuch und Regie: Justine Triet
Mit: Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos, Sandra Hüller, Gaspard Ulliel u.a.
Im französischen Original heißt dieser Film schlicht „Sibyl“ nach seiner Hauptfigur. Der deutsche Titelzusatz „Therapie zwecklos“ gibt Auskunft über deren Beruf: Sie (Virginie Efiraq) ist Therapeutin. Und diese Tätigkeit geht ihr so was von auf die Nerven – Schluß damit, beschließt sie. Aber es gibt noch etwas wie Berufsethos, und ihre Patientin, die Schauspielerin Margot Vasilis (Adele Exarchopoulos), kann offenbar nicht existieren, ohne sich bei Sibyl nach allen Regeln hysterischer Kunst auszuweinen. Weil sie schwanger ist und ihr Freund sich nichts aus ihr macht…
Regisseurin Justine Triet will diesen Film – mit dem sie 2019 bei dem Festival von Cannes war – allerdings gewissermaßen „ums Eck“ erzählen. Die keine Sekunde lang sympathische Sibyl will zu ihrer früheren Leidenschaft, dem Schreiben, zurück, ihr Projekt ist ein Roman. Aber sie erkennt genau, dass Margot genau das ist, was sie braucht – die Handlung für ihren Roman nämlich. Sehr ethisch ist das nicht. Und auch nicht sehr substanziell für einen Film, der zwischen den beiden Damen hin- und herschwankt, wobei man die Verzweiflung von Margot letztlich noch besser versteht als das, was Sibyl da umtreibt…
Immerhin nimmt die Geschichte eine Wendung, die das Ganze in einer Passage zumindest für den deutschen Zuseher interessant macht. Nicht, weil Margot sie braucht, sondern weil sie ganz egoistisch wissen will, „wie es weiter geht“, folgt Sibyl ihrer Patientin auf die Insel Stromboli zu den Dreharbeiten des Films, für den sie engagiert ist. Dort spielt ihr gleichgültiger Liebhaber (Gaspard Ulliel) in der Regie seiner Geliebten, der deutschen Regisseurin Mika, die männliche Hauptrolle.
Sandra Hüller, Virginie Efira
Auftritt Sandra Hüller, die durch den „Toni Erdmann“-Film zurecht berühmt geworden ist (und zuletzt im Schauspielhaus Bochum die Titelrolle in „Hamlet“ spielte… unseligen Angedenkens). Ihr kaltschnäuzig-zynischer Umgang mit Menschen, sowohl zum Liebhaber wie zu dessen „Ex“, die sie engagiert hat, weil sie hofft, dass die Dreharbeiten den Rest der Beziehung der beiden zerstört, ist schlechtweg umwerfend (sie spricht in dem französischsprachigen Film Englisch). Was den anderen Damen des Films, der seltsam herum eiernden Sibyl und der nervtötend herumjammernden Margot, nicht gelingt, schafft die Hüller mit ihrer Figur spielend: nämlich zu interessieren, zu faszinieren, zu verblüffen.
Manche Kritiker haben in diesem Film einen schwarzhumorigen Spaß gesehen, aber nicht für jeden ist erkennbar, wie Drehbuch und Machart des Ganzen eigentlich laufen und was die Regisseurin erzählen wollte. Am Ende ist man absolut nicht sicher, ob das, was man gesehen hat, auch nur einigermaßen Sinn macht…
Renate Wagner