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Film: QUEEN & SLIM

06.01.2020 | Allgemein, FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart 9. Jänner 2020
QUEEN & SLIM
USA / 2019
Regie: Melina Matsoukas
Mit: Jodie Turner-Smith, Daniel Kaluuya u.a.

Wie das schon so ist bei Tinder-Dates. Die beiden sitzen einander gegenüber, hier in einem reizlosen Coffee Shop in Cleveland, Ohio, und der Kinobesucher weiß schon, das kann nicht klappen. Sie so cool und forsch, Anwältin, er so nett und freundlich und fromm und Schuhverkäufer. Macht nichts, er bringt sie nur noch in seinem Auto nach Hause. Und übrigens – die beiden sind Afroamerikaner.

Kurze Introduktion für einen Film, der in den USA mehr Aufsehen erregt und bessere Kritiken bekommen hat, als das Ergebnis es wert ist. Aber es ist ein Film, der „schwarze Problematik“ aufrührt, und da will sich niemand die Finger verbrennen (die „Rassismus“-Keule wird einfach zu leicht gezückt).

Und der Ausgangspunkt stimmt, passiert immer wieder, ist oft genug schlecht ausgegangen. Dass die beiden von einem harschen Polizisten gestoppt werden – das passiert auch Weißen, und die halten dann auch den Mund, weil sie wissen, dass sie der Willkür ausgesetzt sind. Man versteht allerdings, dass eine intelligente Afroamerikanerin, die solche Szenen der absichtlichen Demütigung zu oft erlebt hat, dabei ausflippt. Sie zieht ihr Smartphone, der gereizte Polizist schießt, ihr Begleiter fällt ihn an, noch ein Schuß löst sich… der Polizist ist tot.

Slim, der geradlinige Mann, will den Vorfall der Polizei melden. Queen, die weiß, dass zwei Schwarze in einem solchen Fall in den USA keine Chance haben, setzt auf Verschwinden – hinunter nach Florida, mit möglichem Ziel Kuba. Nur weg aus den Staaten. Sie zieht den Mann hinter sich her. Von nun an sind die beiden in diesem Film von Melina Matsoukas, dem ersten Spielfilm der griechisch-afroamerikanischen Regisseurin (bisher auf Werbung und Musikvideos spezialisiert), auf der Flucht.

Und der Titel deutet darauf hin, dass sie als „Outlaws“ so wie „Bonnie und Clyde“ dennoch die Sympathie des Publikums genießen sollen. (Wenn auch Namen wie „Queen“ and „Slim“ nicht in erster Linie einleuchten und auf ein Paar hinweisen.)

Was nun folgt, ist auf seltsame Art uneben, Unglaubwürdigkeit der Handlungsführung begleitet die Handlung durch die ganzen mehr als zwei Filmstunden. Einerseits soll hier eine Politstory gezeigt werden, die auch typisch ist für die Zeit der Sozialen Medien, wo ein Fall wie dieser sofort verbreitet und instrumentalisiert wird, um Rassenunruhen wieder anzuheizen (und das von beiden Seiten).

Andererseits schickte die Regisseurin die beiden in eine Liebesgeschichte, für die nach Meinung des Zusehers eigentlich keine Zeit ist. Im übrigen schlagen sie mit Problemen sich nach Süden durch, kommen kurz bei ihrem zwielichtigen Onkel unter, der eine Art Puff führt, erhalten hier und da überraschend Hilfe, auch von Weißen, weil sich eine Sympathiewelle für sie aufbaut. Andererseits sind sie aber auch immer wieder in Gefahr, geschnappt zu werden, denn schließlich gibt es eine „nationwide hunt“ nach zwei „afro americans“ – ein dramatisches Element, das die Regisseurin in keiner Weise ausnützt. Und was an der Geschichte „ideologisch“ zu behandelt wäre, schon gar nicht.

Nebenbei eskaliert, an ihrem Fall aufgehängt, die Gewalt: Während die beiden sich liebevoll anschluchzen (tatsächlich ist es eine ausgespielte Sexszene im Auto), schneidet Melina Matsoukas Szenen dagegen, in denen (ohne dass man eine wahre Ursache erfährt) ein schwarzer Junge eine Pistole zieht und unvermutet einen (übrigens schwarzen!) Polizisten erschießt… und das hängt völlig in der Luft.

So laufen mehrere Handlungsstränge nebeneinander, ohne dass sie verknüpft werden, und man wird mit der plötzlichen Liebesgeschichte des ungleichen Paares ebenso allein gelassen wie mit den Rassenunruhen. „Euphorie und Tragödie“, die die amerikanische Filmkritik hier sah, kann man im Grunde nicht erkennen.

Jodie Turner-Smith spielt „Queen“, die selbstbewusst von sich sagt, sie sei ein „excellent lawyer“, wechselt von langer Haarpracht zu Kurzhaarfrisur, mit der sie aussieht wie Grace Jones (mit ähnlicher Entschlossenheitsmiene) und erringt kaum Sympathie. Daniel Kaluuya ist der schwache Slim, der ihr durch seine Gefühlsintensität doch ein starker Helfer im Spiel ist, das die beiden  nicht gewinnen können. Die Regisseurin setzt immer wieder auf Sentimentalität und äußere Effekte (etwa, wenn Slim ein weißes Pferd reitet…), aber sie versteigt sich zumindest nicht zu einem Happyend – das würde ja auch niemand glauben.

Als es dem Finale zugeht, wartet man eigentlich – man ist verdorben durch die vielen, auch guten Filme, die man gesehen hat – auf ein „Thelma & Louise“-Ende, aber die Geschichte endet so unspektakulär, wie sie erzählt wurde. Und das ist schade, denn vom Thema her wäre da eine echte, packende Geschichte drin gewesen. Sie wurde allerdings nicht heraus geholt. Man hat sich auf das „Material“ verlassen und vergessen, es zu gestalten.

Renate Wagner

 

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