Filmstart: 26. Jänner 2024
PERSONA NON GRATA
Österreich / 2024
Produktion, Drehbuch und Regie: Antonin Svoboda
Mit: Gerti Drassl, Maya Unger, Andreas Patton u.a.
#metoo als internationale Bewegung hat vieles in Gang gesetzt. Missbrauch gab es immer und überall, und die Opfer hatten gelernt, angesichts der mächtigen Täter einfach zu schweigen. Aber es gab Ausnahmen, und die österreichische Skirennfahrerin Nicola Spieß-Werdenigg war eine solche. Als sie sich entschloß zu erzählen, wie es in den österreichischen Skisport-Trainingslagern zuging, stach sie natürlich in ein Wespennest, denn sie „beschmutzte“ damit eine Institution, die in Österreich als Fahnenträgerin nationalen Stolzes galt. Und hätte der „Standard“ sich nicht entschlossen, ihre Anklagen zu drucken, wäre das alles wohl im Sand (bzw. im Schnee) verlaufen
Nun ist es ein Film, ein „historischer“, wie Hauptdarstellerin Gerti Drassl in einem Interview sagte, denn angeblich hat sich vieles verändert, ist besser geworden. Also müssen sich nicht mehr, wie früher, die halbwüchsigen Skihoffnungen zum Mobbing gegen einander aufhetzen lassen, gibt es nicht mehr ausgesprochen schmutzige Rituale (Wachs im Hintern???), müssen die jungen Läufer nicht ihren Trainern sexuell zur Verfügung stehen, wird ihre Karriere nicht mehr von der Bereitwilligkeit der Hingabe abhängig gemacht. So hat es Nicola Werdenigg vor fünf Jahren öffentlich gemacht. Allerdings ohne Namen zu nennen, was ihre Anklage medial nicht so spektakulär machte, als wenn man Einzelpersonen hätte an den Pranger stellen können.
Im Film heißt die fragliche, einst erfolgreiche Skiläuferin Andrea Weingartner und wird von Gerti Drassl gespielt, denn der Film von Regisseur / Drehbuchautor Antonin Svoboda möchte auf vielen Ebenen funktionieren – nicht nur den harten Weg der Wahrheit in die Öffentlichkeit nachzeichnen, wo jemand, der eine große Institution angreift, leicht zur „persona non grata“ (sehr unterwünschten Person) wird, egal, wie viel sie(durch Siege) an Prestige besitzen mag. Es geht auch um die Psychologie der Frau, die das unternimmt (und warum?). Außerdem erlebt man die Argumentationen der Institutionen, die sich mit großteils bekannten Formulierungen notgedrungen wehren, da es oft um viel Sponsoren- und Förderungsgeld geht, und auch um das „private“ Umfeld der Heldin, wo die Schwiegermutter (natürlich als ideologische „Böse“) und Tochter für Positionen stehen – und für Zwänge, die ausgeübt und erlitten werden.
Man kann von der verbiesterten Starre, die Gerti Drassl ihrer Figur gibt, beeindruckt sein, man kann sie auch übertrieben finden. Wobei Svoboda in einer sehr interessanten Szene klar macht, wie schwierig es ist, einzelne Situationen wirklich zu beurteilen. Da hat die Heldin ihren Mann verloren. Der Nachbar (Andreas Patton in einer überheiklen Szene) bietet ihr unter vier Augen seine Hilfe an – und natürlich kann, wenn man es will, dies nicht als ehrlich, sondern als peinlich empfinden. Es aber tobend und schreiend zur „Belästigung“ zu erklären, wird zumindest unangemessen erscheinen, wenn man es nüchtern betrachtet. Vieles unterliegt eben der Grauzone der verschiedenen Anschauungsweisen – wobei sexueller Missbrauch und Machtmissbrauch ja nachweislich sind, während der Kuß eines über eine gewonnen Schlacht glücklichen Trainers wohl nicht als brutaler Gewaltakt (der ihn den Job kostete), sondern aus überschwänglicher Ausdruck der Freude hätte gedeutet werden können – wenn andere Interessen es nicht verhindert hätten…
Es ist und bleibt ein schwieriges Thema, man weiß, wie schwer es Beschuldiger oft haben, mit ihren Anklagen durchzudringen, man weiß aber auch, wie schwierig es im gegenwärtigen Zeitgeist ist, sich gegen Beschuldigungen, die oft mit Vorverurteilungen Hand in Hand gehen, zu wehren. Eine Mühle, in die niemand geraten möchte. Hier bekommt man sie im Kino aufbereitet.
Renate Wagner