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Film: FAMILY DINNER

26.01.2023 | Allgemein, FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  27. Jänner 2023 
FAMILY DINNER
Österreich  /  2021
Drehbuch und Regie: Peter Hengl
Mit: Nina Katlein,. Pia Hierzegger, Michael Pink, Alexander Sladek

Wenn nicht allzu geliebte Kinder gerade an den Feiertagen zu Verwandten abgeschoben werden… man kennt solche Situationen, und sie schmerzen. So wie der ganze Film, der sich „Family Dinner“ nennt, was nur für jene einladend klingt, die das Glück haben, in einer netten, gutwilligen, freundlichen Familie zu leben. Aber wie viele Menschen können das schon von sich behaupten?

So wird Simi, der sympathische, aber adipöse (und entsprechend unsichere) Teenager zu einer angeheirateten Tante für die Osterferien aufs Land geschickt. Tante Claudia war mit dem Bruder ihrer Mutter verheiratet, ihr Sohn Filipp ist also Simis echter Cousin. Zu dem neuen Mann von Claudia, dem Macho Stefan, der dennoch unter der Fuchtel der Gattin zu stehen scheint, hat sie eigentlich keine Beziehung.

Vier Menschen auf einem abgeschiedenen Bauernhof – das ist die Ausgangssituation des Films von Peter Hengl, bisher nur als Drehbuchautor tätig, der hier erstmals (zu seiner selbst geschriebenen Geschichte natürlich) als Regisseur fungiert. Das Horror-Genre liebe er besonders, hat er in einem Interview gesagt.

Und irgendwie ist einem von Anfang an nicht behaglich in der Welt, in die man mit Simi kommt. Dabei benimmt sich Tante Claudia (eine Meisterleistung der hintergründigen Pia Hierzegger) nach einigem Zögern scheinbar freundlich zu Simi, aber es ist der sanfte Gutmenschen-Schleim, den sie da absondert, der Gänsehaut verursacht. Ja, sie schreibt nicht nur Kochbücher, sie ist auch offenbar als Diätberaterin tätig – ja, sie kann der übergewichtigen Nichte schon beim Abnehmen helfen… Wie sie ihr in der Folge das Essen verweigert, während uns der Regisseur zusehen lässt, wie sie zweifellos Wohlschmeckendes kocht, das ist ein echter Sado-Psycho-Trip.

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Aber auch der verstörte und unfreundliche Cousin (Alexander Sladek) hat Probleme, wird von der Mutter unterdrückt (Gewalt mit scheinbar sanften Tönen ausgeübt), vom Stiefvater (Michael Pink) terrorisiert, etwa nicht nur zur Jagd gezwungen, sondern auch dazu, das Wild nachher auszuweiden und zu zerlegen, was für einen sensiblen Teenager ein wahrer Horror werden kann…

Der Horror verdichtet sich,  und was der Regisseur am Ende als „Pointe“ beim Osteressen serviert, wo sie nur noch zu dritt sind, könnte wirklich grauenvoller nicht sein. Auch als geeichter Betrachter dessen, was Drehbuchautoren und Regisseure diesbezüglich riskieren, hätte man das doch nicht glauben wollen… ja, wer Horror will, der nicht von Geistern gemacht wird, sondern aus Menschenköpfen kommt, der ist hier bestens bedient.

Aber eigentlich ist es der Film von Simi, mehr als beeindruckend gespielt von der damals wohl 18jährigen Nina Katlein, die mit Hilfe von Drehbuch und Regie eine großartige Teenager-Studie entwickelt. Dass sie dick ist, macht sie unsicher, sie ist die schiefen Blicke gewöhnt (es ist direkt eine Erleichterung, als ihr Cousin, den sie beharrlich dazu bringt, sich ihr zu öffnen, ihr einmal sagt: Warum willst du abnehmen, du bist doch okey wie du bist). Simi will auch als Gast der Tante gefallen, dankbar sein, dass sie da sein darf, nie widersprechen, nichts hinterfragen, sich einfach wie viele unsichere Menschen am liebsten unsichtbar machen. Aber sie hat einen unfehlbaren Instinkt dafür, wenn etwas nicht stimmt, und gleichzeitig mit ihr rückt der Kinobesucher immer mehr von diesem seltsamen Bauernhof mit seinen Alltags-Terror und später österlichen Ritualen ab…

Das ist ein unglaublich dichter, prächtig gespielter Film, der mit jeder der gezeigten Figuren in die Tiefe geht und Untiefen schrecklichster Art offenbart. Viel mehr als nur ein Horror-Krimi, wenn auch vollinhaltlich außerdem ein solcher.

Renate Wagner

 

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