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FERDINAND RAIMUND: Historisch-kritische Ausgabe, Band 2

24.02.2019 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

FERDINAND RAIMUND
Historisch-kritische Ausgabe, Band 2
„Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär“
„Die gefesselte Phantasie“
Hg. von Johann Hüttner
908 Seiten, Verlag Deuticke 2019

Fünf Jahre sind vergangen, seitdem der erste Band der Historisch-kritischen Ausgabe sämtlicher Werke von Ferdinand Raimund vorgelegt wurde – das ist nicht wenig. Immerhin war mit Band 2 nur ein Wissenschaftler beschäftigt (Jürgen Hein, der für Nestroy und Raimund so wichtig war, ist bekanntlich 2014 verstorben), und Johann Hüttner, ehemaliger Professor und Institutsvorstand der Wiener Theaterwissenschaft, musste die vorliegenden 908 Seiten allein erarbeiten. Man beneidet ihn nicht darum, genießt aber mit Vergnügen die Ergebnisse seiner Forschung. Immerhin geht der Abdruck der beiden Stücke nur bis Seite 149 – der Rest ist die Knochenarbeit des „Apparats“.

Schon mit seinem dritten Theaterstück, dem „Bauer als Millionär“, ist Ferdinand Raimund vom begabten und seine Mitwelt auf Anhieb überragenden Schreiber von Wiener Volksstücken in die Weltliteratur aufgestiegen. Er hat Allegorien (Die Jugend, Das hohe Alter, Der Neid, Der Haß) in absolut „ewiggültiger“ Form eingesetzt, wie sie weit über die Handlung des Stücks hinausreichen.

Das in vielfachen Formen überlieferte Stück wird auf der Textgrundlage der Originalhandschrift wiedergegeben. Mehr als 150 Seiten nimmt der Abdruck der Kritiken ein, sowohl nach der Uraufführung wie auch zu späteren Aufführungen, wobei Raimund in der Paraderolle des reich gewordenen Bauern Fortunatus Wurzel, der zum „Aschenmann“ herunter kommt, immer wieder gastiert hat. Klar ist, dass schon die Mitwelt begriffen hat, mit diesem Stück etwas Besonderes erlebt zu haben.

Jede Historisch-kritische Ausgabe ist verpflichtet, sich mit allen Varianten eines Werks zu befassen, die außer dem Herausgeber des Bandes und den Lektoren wohl kaum jemand genau lesen wird, es sei denn, man fände einen „fundamentalistischen“ Regisseur, der zu den verschiedenen Quellen zurückgeht, in der Hoffnung, hier neue Aspekte zu entdecken. Tatsächlich wurden, soweit man sich hier und dort hineinliest, Änderungen wohl von theaterpraktischen Erwägungen diktiert, so sehr es Raimund immer – und gar bei diesem selbst erfundenen Stoff – auch um die tiefere Aussage ging.

Anschließend geht es um die Musik, und in gleicher Weise verfährt der Herausgeber auch mit der „Gefesselten Phantasie“, ebenfalls eine originale Erfindung Raimunds, ein witziges und weitgehend unterschätztes Stück, befasst sich der Dichter doch mit einem uralten Dichter-Stoff: Er reflektiert (wie ja auch Kollege Grillparzer in der „Sappho“) über den Vorgang des Dichtens…

Da Raimund solcherart ein Element in sein Stück einbrachte, das man von ihm nicht gewöhnt war, und weil Publikum und Kritik selten auf „Neues“ verständnisvoll anspringen, ist dieses Werk Raimunds in den Hintergrund getreten. Und dabei ist es – in seiner schroffen Konfrontation von hoher und niedriger Welt (der Harfenist Nachtigall) – so besonders interessant.

Renate Wagner

 

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