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Felix Mendelssohn Bartholdy: Symphonien Nr. 1 und Nr. 4

10.12.2016 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

0822231176923

Felix Mendelssohn Bartholdy
Symphonien Nr. 1 und Nr. 4 („Italienische“)
Sir John Eliot Gardiner / London Symphony Orchestra Live,
SACD plus Blu-ray Disc pure Audio

Frühromantische Geniestreiche aus der Gemütlichkeitsecke geholt

Die Gesamtaufnahme aller Mendelssohn Symphonien Sir John Eliot Gardiners mit dem London Symphony Orchestra rundet sich nach und nach. Die dritte und fünfte liegen ja schon vor. In der Barbican Hall, London, 2014 und 2015 aufgenommen, wartet die erste Symphonie zum direkten Vergleich mit den beiden Versionen des dritten Satzes auf: die ursprüngliche von 1824 sowie diejenige, die Mendelssohn für die Londoner Erstaufführung 1829 neu komponierte. Gardiner untersucht genau die Quellen und Bruchstellen Mendelssohns in Bezug auf die Wiener Klassik sowie zu seinen eigenen zwölf frühen Streichersymphonien, zu denen die C-Moll Sinfonie des 15 jährigen Komponisten ja anfänglich als Nr. 13 noch gezählt wurde.

Gleich im ersten Satz zeigt Gardiner, was er von der Originalklangbewegung an Phrasierung, Transparenz, energetischer Vision mit in den Ausdrucksbogen eines „normalen Orchesters“ einflechten konnte. Das kommt dem jugendlichen Elan, ja beinahe Draufgängertum dieser Musik besonders zugute, macht aber auch deutlich, dass die frühe Version des Dritten Satzes als etwas schwerfälliges Menuett dem elfenhaft flirrenden Scherzo (Orchesterbearbeitung des Scherzos aus dem Streichoktett aus dem Jahr 1825) unterlegen ist. Das Allegro lässt Gardiner wirklich „con fuoco“ spielen, die Anklänge an Mozarts G-Moll Symphonie weichen rasch einer überbordenden Phantasie geschuldeter Streicherpizzicati und kontrapunktischer Raffinesse. Die technische Meisterschaft aber auch das Ungestüm des jungen Mendelssohn waren kaum je so mit zauberisch diabolischer Hand herausgearbeitet worden.

Venedig, Florenz, Rom waren die Stationen der Italienreise des 21-jährigen Tonsetzers. Die vierte Symphonie ist ein in Ton gegossener Reiseführer geworden. Nach Sonne riechende Landschaften ziehen am Ohr des Hörers genau so vorbei wie religiöse Prozessionen. Der Zauberwald aus dem eigenen Sommernachtstraum wird genau so zitiert wie der napolitanische Sprungtanz Saltarello. Kein Fremdenverkehrsplakat macht mehr Lust nach italienischer Lebensart und Vitalität wie diese herrliche Symphonie. Vor allem weil sie von Gardiner so vorzüglich auf den Punkt serviert wird wie eine neapolitanische Pizza in der „L‘Antica Pizzeria da Michele“ in der Via Cesare Sersale.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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