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Extraordinary MET Performances 1966/1967

25.12.2016 | cd, CD/DVD/BUCH/Apps

CD Met Opern

The Inaugural Season –
Extraordinary MET Performances 1966/1967

WARNER 22 CDs

Eine liebevoll editierte Jubiläumsedition
für alle Liebhaber glühenden Operngesangs

Erscheinungsdatum: 6. Jänner 2017

Melomanen aufgepasst: Obwohl diese Zauberbox in unseren Breiten erst zu Beginn 2017 offiziell in den Handel kommen wird, kann gesagt werden, dass Warner damit allen Opernfreunden ein gar prächtiges Weihnachten beschert hat. Die gemeinsam mit der MET vorbereiteten Gesamtaufnahmen plus Extra-CD mit „Repertoire“-Ausschnitten zelebrieren ja nicht nur das 50-jährige Jubiläum mit zehn ausgewählten Aufführungen der Eröffnungssaison der neuen MET am Lincoln Center 1966/1967, sondern stellen ein Manifest und eine Bestandsaufnahme all dessen dar, was Oper in diesen Jahren Goldener Stimmen zu leisten imstande war. Es waren optimistische Jahre des Wirtschaftswunders. Stimmen, deren Schönheit und Kraft wurden ohne Rückhaltung zelebriert, ja damit geprotzt, die feine Klinge der Interpretation war vielleicht weniger gefragt.

Nicht nur von historischem Interesse ist die Frage, inwieweit sich der rein vokale Stellenwert eines live Opernerlebnisses im Laufe der letzten 50 Jahre geändert haben mag. Auch damals verfügte man über Sängerinnen und Sänger, die neben außerordentlich intensiven musikalischen Leistungen wilde „action“ auf der Bühne lieferten (Vickers, Rysanek, Stratas etc.). Aber der Fokus des Gesamterlebnisses lag nicht auf integrierter Regie samt Bühnenbild, sondern eben ganz und gar auf singulären Gesangsleistungen. Desgleichen scheint mir der Grad an Leidenschaftlichkeit, vielleicht sogar Stimmexhibitionismus, rückhaltloser Emotion und Auslotung der Grenzen ein höherer gewesen zu sein als das jetzt der Fall ist. Man höre sich nur die Ausschnitte aus La Gioconda mit Renata Tebaldi an. Mehr „Tigerin mit ausgefahrenen Krallen“ hat in dieser Rolle auch die Callas nicht geboten. Auch die 28-jährige Teresa Stratas als Mimi/ Schluss der Oper „Donde lieta uscí“ lässt einen das Blut in den Adern gefrieren.

Leonie Rysanek hat mir einmal in New York nach einer Jenufa-Aufführung gesagt, sie empfinde die Bezeichnung „Singschauspielerin“ eigentlich als Beleidigung, sie sei eine Sängerin, Punktum!

Es mag sein, dass heute präziser gesungen wird. Aber es ist auch klar, dass im Zweifel aktuell eher der Szene, und nicht dem musikalischen Momentum das Primat zuzukommen hat. Für allzu großformatige Stimmen und Persönlichkeiten ist da wenig Platz. Große Sänger wie Elisabeth Kulman verweigern sich diesem Betrieb ja bereits.

Am 16. September 1966 ist nun die neue Metropolitan Opera mit der Uraufführung von Samuel Barbers Oper „Antony and Cleopatra“ glanzvoll eröffnet worden. Dirigiert hat Thomas Schippers. Eine Oper so prächtig und wuchtig wie „Ben Hur“, vielleicht etwas pathetisch. Leonytne Price, für die diese Oper geschrieben worden ist, Jess Thomas und Justino Diaz singen ihre höchst anspruchsvollen Rollen “mit vollem Rohr” hervorragend. Als Vehikel für eine Diva wäre diese insgesamt herrlich dramatische Barber-Oper mit Anklängen an Filmmusik sicherlich auch heute noch ein Reißer. Die Eröffnung eines Hauses wie der MET markiert immer auch den state of the art in Bezug auf Bühnentechnik, Glanz und Gloria der äußeren und inneren Architektur (immerhin stammen die Kronleuchter aus Österreich – Entwurf Fa. Lobmeyr, die schon für die Beleuchtung im Wiener Konzerthaus sorgte) sowie mit dem Lincoln Center insgesamt ein städtebauliches Signum erster Güte.

In der Eröffnungssaison offenbarte sich aber zuvorderst ein vokaler Reichtum und ein Aufmarsch an großen Dirigenten sondergleichen, der bis heute nicht mehr annähernd egalisiert und schon gar nicht übertroffen werden konnte. Am ehesten war das noch so in der Anfangsära der Direktion Egon Seefehlner an der Wiener Staatsoper, wo in einer Saison Karajan, Böhm und Bernstein dirigierten und sich die Diven aller Länder die Klinke in die Hand gedrückt haben.

Die Liste an Sängerstars der Eröffnungssaison der MET liest sich nicht nur, sondern war schlicht und einfach das Who is Who der damaligen Opernwelt: L. Price, Sutherland, Scotto, Freni, Nilsson, Bumbry, Caballé, Rysanek, Ludwig, Vickers, Peters, Gedda, Corelli, Tucker, Berry, King, McCracken, Gobbi, Bergonzi, Merrill, Tebaldi, Stratas, Moffo, etc., in Nebenrollen gab es u.a. Madeira, Giaiotti, Elias, Hines oder Karan Armstrong zu hören, dirigiert haben Böhm, Krips, Bonynge, Mehta, Schippers, Gardelli, Davis, Prêtre,…

Alle Aufnahmen wurden von den Original-Rundfunkbändern (Saturday Broadcasts) restauriert, klingen ihrem Alter entsprechend unterschiedlich je nach den Konditionen des Tages, bisweilen etwas trocken (der Bayerische Rundfunk war da leider nicht am Werk!), geben aber ein unverfälschtes akustisches Bild wider.

Aufregend an der neuen Box ist aber nicht zuletzt, dass die Mehrzahl der jetzt vorgelegten Aufführungen auch in den großen Zeiten der „Bootlegs“ (unautorisiert veröffentlichte Tonaufnahmen) nicht erhältlich waren. Meinen Recherchen zufolge gab es (abgesehen von rabenschwarzen Downloads aus dem Internet) bereits Turandot, Otello und Aida schon auf Raubpressungen teils zweifelhafter Qualität (u.a. Labels Claque, Living Stage, GOP). Von Antony und Cleopatra sind auf Tonträger offiziell nur Ausschnitte mit L. Price und Schippers (RCA) veröffentlicht worden. Auch die Aida gab es bereits offiziell als Teil der Box “Verdi at The MET”- Legendary Performances from The Metropolitan Opera. Frau ohne Schatten, Lucia di Lammermoor, Peter Grimes, Die Zauberflöte, Madama Butterfly und Rigoletto werden also in der vorliegenden Konstellation als Live-Novitäten auch eingefleischte Sammler begeistern können. Detto einige bislang nicht erhältlichen Ausschnitte auf der Bonus CD, etwa aus Il Trovatore mit Arroyo und Tucker, Elektra mit Nilsson und Resnik oder Mourning Becomes Electra (Marvin David Levy) mit Lear und Milnes. Jede Oper ist in einen doppelt aufklappbaren Pappkarton mit Fotos aus der jeweiligen Aufführung gepackt, mit Booklets für jede oder separta, sodass die Box auch filetiert in die Regale wandern kann.

Nach Durchhören der Opern hier nur einige Highlights

An erster Stelle neben Antony and Cleopatra ist vielleicht „Die Frau ohne Schatten“ zu nennen, deretwegen man ruhig nochmals den 90. Geburtstag von Leonie Rysanek feiern mag. In der Rolle ihres Lebens reüssiert der Langzeit Met-Star mit Stimmwundern wie Christa Ludwig, Walter Berry, James King und Irene Dalis, die damals alle am Zenit ihrer artistischen Möglichkeiten standen. Stupend, auch wenn das Orchester am Schluss des dritten Aktes manchmal etwa in Durcheinander gerät. Nilsson, Sutherland, L. Price und Scotto sind ebenfalls mit ihren für mich jeweils in ihren besten Rollen (Turandot, Lucia, Aida, Madama Butterfly) neben Traumpartnern wie Corelli, Bumbry, Freni, Bergonzi, Merrill oder Tucker in absoluter Top-Form zu hören. Ein vokales Versailles in für heutige Verhältnisse fast schon “unverschämten Glanz” im flirrenden Licht tausender Kandelaber.

Besonders sind hier die herrlichen Triller Sutherlands und ihr bis in Stratosphärenhöhen cremiges Timbre zu nennen. Da können Tucker und Holzani schon mal derb klingen. Dafür dirigiert Bonenge mit extrem schnellen Tempi die spannendsten Belcanto-Oper ever. Die Aida Besetzung bedarf ohnedies keines Kommentars und dass Nilsson und Corelli sich in Turandot die erwartete Stimmschlacht liefern, ist für das Publikum sowieso der extra-thrill. Jon Vickers gestaltete sein Rollendebüt in seiner dritten Signum-Rolle neben Otello und Tristan, den Peter Grimes, mit der ihm eigenen Intensität und stimmlichen Unverwechselbarkeit. Monserrat Caballé singt eine Desdemona zum Niederknien, ihr Otello James McCracken liefert wie später in der Studioproduktion mit Gwyneth Jones und Fischer-Dieskau ein ausdrucksstarkes Charakterporträt, dessen „Niun mi tema“ tief unter die Haut geht. Die Zauberflöte und Rigoletto, mit Gedda und der hochgeschätzten Roberta Peters sind immer noch gediegene Repertoireaufführungen.

Fazit: Für Liebhaber historischer Opern-Live-Aufnahmen, von Riesenstimmen eher als stilistischer Perfektion, von Glanz und Gloria vergangenen Operngesangs der Sechziger Jahre DIE Neuerscheinung der letzten Jahrzehnte. Anhören!

MET Inaugural Season – Gesamtaufnahmen

1. Antony and Cleopatra von Samuel Barber
Thomas, L. Price, Diaz; Dirigent: Thomas Schippers

2. Turandot von Giacomo Puccini
Corelli, Giaiotti, Freni, Nilsson, Dirigent: Zubin Mehta

3. Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss
Berry, Rysanek, Dalis, King, Ludwig, Dirigent: Karl Böhm

4. Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti
Sutherland, Tucker, Ghiuselev, Colzani, Dirigent: Richard Bonynge

5. Peter Grimes von Benjamin Britten
Vickers, Amara, Madeira, Evans; Dirigent: Sir Colin Davis

6. Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart
Shirley, Uppman, Peters, Macurdy, Raskin; Dirigent: Josef Krips

7. Otello von Giuseppe Verdi
McCracken, Caballé, Gobbi, Dirigent: Zubin Mehta

8. Madama Butterfly von Giacomo Puccini
Renata Scotto, Ron Bottcher, George Shirley, Dirigent: Francesco Molinari-Pradelli

9. Rigoletto von Giuseppe Verdi
Giaiotti, MacNeil, Gedda, Peters, Dirigent: Lamberto Gardelli

10. Aida von Giuseppe Verdi
Price, Merrill, Bergonzi, Bumbry, Dirigent: Thomas Schippers

Bonus-CD

Don Giovanni, “Don Giovanni, son morta!” von Mozart
Nicolai Gedda, Dame Joan Sutherland, Dirigent: Karl Böhm

Don Giovanni, “Or sai chi l’onore” von Mozart
Nicolai Gedda, Dame Joan Sutherland, Dirigent: Karl Böhm

La Gioconda, “É un anatema” von Amilcare Ponchielli
Renata Tebaldi, Rosalind Elias; Dirigent: Fausto Cleva

La Gioconda, “L’amo come il fulgor del creato!” von Amilcare Ponchielli
Renata Tebaldi, Rosalind Elias, Dirigent: Fausto Cleva

La Gioconda, “Il mio braccio t’afferra!” von Amilcare Ponchielli
Tebaldi, MacNeil, Elias, Morell, Dirigent: Fausto Cleva

La Gioconda, “Vedi lá, nel canal morto” von Amilcare Ponchielli
Barry Morell, Renata Tebaldi, Dirigent: Fausto Cleva

Lohengrin, “Du wilde Seherin” von Richard Wagner
Walter Berry, Christa Ludwig, Dirigent : Karl Böhm

La Bohème “Donde lietá usci” von Giacomo Puccini
Teresa Stratas, Dirigent : Fausto Cleva

La Traviata, “Pura siccome un’angelo” von Giuseppe Verdi
Robert Merrill, Anna Moffo, Dirigent: Georges Prêtre

La Traviata, “Non sapete quale affetto” von Giuseppe Verdi
Anna Moffo, Robert Merrill, Dirigent : Georges Prêtrewes

La Traviata, “Un di quale veneri” von Giuseppe Verdi
Anna Moffo, Robert Merrill, Dirigent : Georges Prêtre

La Traviata, “Ah! Dite alla giovine” von Giuseppe Verdi
Anna Moffo, Robert Merrill, Dirigent: Georges Prêtre

Il Trovatore, “Di geloso amor sprezzato” von Giuseppe Verdi
Merrill, Tucker, Arroyo, Dirigent: Francesco Molinari-Pradelli

Il Trovatore “Tacea la notte placida” von Giuseppe Verdi
Arroyo, Merrill, Tucker, Dirigent: Francesco Molinari-Pradelli

Elektra, “Ich habe keine guten Nächte” von Richard Strauss
Birgit Nilsson, Regina Resnik, Dirigent: Thomas Schippers

Elektra, “Wenn das rechte Blutopfer unterm Beile fällt” von Richard Strauss
Birgit Nilsson, Regina Resnik, Dirigent: Thomas Schippers

Elektra, “Was bluten muss” von Richard Strauss
Birgit Nilsson, Dirigent: Thomas Schippers

Mourning becomes Elektra, “Forgive me, he takes my place” von Marvin David Levy
Lear, Collier, Reardon, Milnes, Dirigent: Zubin Mehta

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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