Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Eva Reichl: MÜHLVIERTLER KREUZ

03.08.2021 | buch, CD/DVD/BUCH/Apps

buchcover reichl, eva mühlviertler kreuz~1

Eva Reichl: 
MÜHLVIERTLER KREUZ
Kriminalroman
316 Seiten, Verlag Gmeiner, 2021 

Hochzeit, gefeiert auf der Burgruine Reichenstein im Mühlviertel, ist eine opulente Sache, aber auf das Geld kommt es dem Vater des Bräutigams nicht an. Beim Fest danach begegnet man allerdings einer offenbar (oder nur scheinbar?) sehr unglücklichen Braut –  als lebte man in einem anderen Jahrhundert, ist Marion gewissermaßen ungefragt mit Fabian Hallsteiner, den sie nicht liebt, verheiratet worden. Die Väter und ihre Geschäftsbeziehungen wollten es so. Entsprechend unruhig und uneben verhält sich die Braut bei ihrem Hochzeitsfest – und dann ist sie tot.

Auftritt Chefinspektor Oskar Stern, denn wir sind wieder in einem Mühlviertel-Krimi von Eva Reichl, bereits dem vierten dieser Art. Vor dem nunmehrigen „Mühlviertler Kreuz“ gab es hier im Mühlviertel schon „Blut“, „Grab“ und „Rache“ aus ihrer Feder, denn die Autorin ist in dieser an sich so harmonisch wirkenden Landschaft von Oberösterreich zuhause – und findet hier immer wieder Abgründiges.

Die Braut ist von der Burg gestürzt (worden?), hängt mit ausgebreiteten Armen (wie eine Gekreuzigte) in den Bäumen, ihr Hochzeitskleid bläht sich, macht einen Engel aus ihr. Das Bild geht natürlich durch die Sozialen Medien, die Chefinspektor Stern (und möglicherweise auch die Autorin) verabscheut. Er und sein Team machen sich daran, die Verhältnisse der Braut zu durchleuchten – und finden zwei schreckenerregende Familien.

Sowohl Viktor Hallsteiner, dem als Unternehmer offenbar das halbe Mühlviertel gehört, wie auch Gustav Balduin, dessen Gewürz-Imperium nur vorübergehend marod ist, wenn der künftige Schwiegervater der Tochter ihn mit fünf Millionen Euro saniert, sind Tyrannen der übelsten Sorte, die Gattinnen und Kinder eisern und gnadenlos im Griff haben, immer mit der Hand am Geldbeutel und entsprechenden Drohungen. Leider – einfach alle sind einem hier unsympathisch. Und fast alle könnten ein Mordmotiv gehabt haben, scheinen verdächtig.

Bei der Rekonstruktion der Hochzeitsfeier bewegen sich Stern und sein Team ein wenig im Kreis, beleuchten das Geschehen von allen Seiten, die Wiederholungen bringen nur partiell neue Aspekte – kurz, es dauert bis gegen Seite 200, bis wieder etwas geschieht, das heißt, der nächste Mord passiert.

Dann allerdings nimmt das Geschehen Fahrt auf, die Autorin zaubert Motive wie Rache, verschmähte Liebe und noch allerlei Unschönes hervor, serviert scheinbar einen Täter, bis es dann doch ein anderer war, an den man gar nicht gedacht hat (wie es sich für einen guten Krimi gehört)… also das letzte Drittel des Buchs rast dahin. Hinter der Fassade einer scheinbar normalen Welt geht es also ganz schön böse zu.

Wie immer gibt Eva Reichl dem Privatleben der Mitglieder der Polizei-Crew, an die sich ihre Leser schon gewöhnt haben wie an alte Freunde, viel Raum (die verschwundene 13jährige Enkelin von Oskar Stern findet sich nach einem Streit mit ihrer Mutter glücklicherweise bei Opa ein, während man um ein Leonie-Schicksal bangt), ein Kollege verliebt sich in eine Zeugin, was ihm schlecht bekommt, am Ende gibt es im Team einen tragischen Verlust.

Im übrigen lässt Eva Reichl viele Leute in einer sanften oberösterreichischen Mundart reden und bringt regionale Begriffe ein („Zubraut“), die man in der Stadt gar nicht kennt. Und was die wunderbare  Landschaft betrifft – da lässt der Pathologe Dominik Weber nicht locker: Irgendwann muss Stern mit ihm viele Kilometer weit durch Feld, Wald und Wiesen wandern. Vielleicht im nächsten Krimi.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken