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ESSEN/ Philharmonie: ESSENER PHILHARMONIKER UND CAMILLA NYLUND (Sopran)

ESSEN /Philharmonie: Camilla Nylund – Essener Philharmoniker am 8.3. 2014 (Werner Häußner)

 So etwas nennt sich Pech: Zum zweiten Mal musste Anja Harteros, „Residence“-Künstlerin der Philharmonie Essen, ein Konzert absagen. Eine hartnäckige Krankheit hat ihren Auftritt unmöglich gemacht. Als Einspringen kam Camilla Nylund an die Ruhr – und die blonde Finnin als „Ersatz“ anzusprechen, wäre mehr als ungerecht. Im Gegenteil: Häufiger als Harteros, die sich auf das italienische Fach und 2013 fast ausschließlich auf Verdi konzentriert hat, singt Nylund seit Jahren Strauss: Ariadne in Frankfurt, Salome und Feldmarschallin in Wien, Chrysothemis in Amsterdam, Daphne in Dresden. Demnächst singt sie Salome in Philadelphia und Arabella in Hamburg – unter Essens Ex-GMD Stefan Soltesz.

An ihn musste bei dem Konzert öfter denken, auch wer keine Nostalgie pflegt: Unter Friedrich Haider waren die Essener Philharmoniker ziemlich weit weg von den raffiniert polierten Klängen, die Soltesz bei Strauss zu modellieren pflegte. Schon in der Szene der Ariadne „Ach, wo war ich? … Es gibt ein Reich, wo alles rein ist…“ nahm Haider wenig Rücksicht auf die eher mit lyrischer Innigkeit als mit dramatischer Attacke agierende Sängerin, ließ sie mit expansiver Energie zudecken.

Das Orchesterzwischenspiel aus der leider auch im Strauss-Jahr 2014 nicht gespielten launigen Miniatur „Intermezzo“ mag in dem verschmolzenen Klangbild, das Haider pflegt, noch hingehen. Aber im Schlussmonolog der Gräfin aus „Capriccio“ gewinnt das Orchester kein Profil, erstickt die leuchtende Finesse der Instrumentation in dickem Schwall, treten die harmonischen Spannungen nicht hervor, die Strauss vor allem durch die Holzbläser erzeugen will. Und Camila Nylund scheint sich im Konversationston dieser Partie auch nicht wohl zu fühlen: die Artikulation ist unscharf, der Stimme fehlen die Farben, um dieses Selbstgespräch plausibel und beredt zu gestalten.

Auch nach der Pause bleibt’s eher wuchtig als elegant. Die „Rosenkavalier“-Walzer poltern lieber lerchenauisch aufgebläht als in silbriger Eleganz zu schweben. In den Finalszenen aus „Arabella“ bleiben die Holzbläser wieder unterbelichtet. Und unter den Ausschnitten aus Opern von Ermanno Wolf-Ferrari erreicht nur das Vorspiel zu den „Vier Grobianen“ diskrete Eleganz; die Suite aus der Oper „Der Schmuck der Madonna“ – die man gerne einmal auf der Bühne kennenlernen würde – war weniger in die glühende Schärfe des italienischen Verismo gekleidet als in einen breiig aufgetriebenen Klang.

Camilla Nylund präsentiert sich vor allem im Lyrischen als exquisite Strauss-Sängerin. Ihre Stimme gebietet nicht über die klangliche Expansion, die für dramatische Zuspitzung nötig wäre, aber sie hat eine leuchtende Mittellage, eine natürlich wirkende Noblesse im Ton und eine funkelnde Höhe. So singt Nylund eine beredte Feldmarschallin und eine jugendlich strahlende Arabella, der man abnimmt, dass ihre Liebe über alle spießigen Niederungen ihrer Umgebung erhaben ist.

Werner Häußner

 

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