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ESSEN: DIE SCHWEIGSAME FRAU. Premiere

15.03.2015 | Allgemein, Oper

Essen: „Die Schweigsame Frau“ – (Pr. 14.3.2015)

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Franz Hawlata, Martijn Cornet. Foto: Matthias Jung

 Dieses 1935 uraufgeführte Werk von Richard Strauss ist nichts fürs breite Opernpublikum. Dafür ist die durchkomponierte Partitur mit Parlando-Passagen einerseits und ariosen Frag­menten andererseits zu komplex. Dabei ist dem Komponisten insbesondere in den einzelnen Instrumentengruppen eine meisterhafte Orchestrierung gelungen, und auch die Ausgestaltung der handelnden Charaktere ist mit der für ihn typischen Akribie erfolgt. Zugrunde liegen die üblichen Bestandteile der Comedia dell’Arte: Ein reicher Alter, ein Quacksalber, sei er Medi­cus oder Barbier, ein entfernter Verwandter, der plötzlich wieder auftaucht und eine junge Frau mitbringt, aber enterbt werden soll. Selbst ein vertrottelter Notar darf nicht fehlen. All das ist aus Donizettis „Don Pasquale“ bestens bekannt. Kern der Handlung ist natürlich, daß die angebahnte Ehe zwischen dem alten Knaben und der jungen Frau nichts wird und am Schluß ein Happy End mit allgemeiner Versöhnung steht. Produktionen, die in letzter Zeit von sich reden gemacht haben, waren jene der Oper Chemnitz und der Bayerischen Staats­oper. Erinnerlich dürfte vielen Opernfreunden auch die im Pariser Théâtre du Chatelet mit Nathalie Dessay in der Titelrolle gebotene Produktion sein. Das Aalto-Theater bringt das Stück m.W. im Rhein-/Ruhr-Raum konkurrenzlos heraus.

Anlässlich der Uraufführung hatte es bekanntlich große Probleme gegeben, nachdem der In­tendant der Dresdner Oper den Namen des Librettisten Stefan Zweig auf nationalsozialisti­schem Druck von Programmzetteln und Plakaten hatte entfernen lassen, Strauss dies aber nicht dulden wollte. Er setzte sich massiv für seinen jüdischen Librettisten ein und drohte mit einem Boykott der Uraufführung, obwohl sich etliche nationalsozialistische Führungspersön­lichkeiten und sogar Reichskanzler Hitler angekündigt hatten. Zweig wurde daher zwei Tage vor der Uraufführung wieder auf den Programmzettel genommen. Wieso angesichts dieses Engagements von Strauss ein Beitrag des Essener Chefdramaturgen Alexander Meier-Dörzen­bach im Programmheft zu finden ist, in dem Strauss mit dem „millionenfachen Mord an Euro­pas Juden“ in Verbindung gebracht wird und zudem ein Schmähartikel des bekanntlich ge­mütskranken Klaus Mann publiziert wird, vermag ich nicht nachzuvollziehen, zumal Strauss ein paar Tage nach der Uraufführung sogar sein Amt als Präsident der Reichsmusikkammer verlor.

Die Inszenierung hat in Essen der Belgier Guy Joosten (in der Ausstattung und mit den Ko­stümen von Johannes Leiacker) besorgt. Die Personenführung ist einfallsreich und präzise. Die Buntheit der Figuren, ihre ständigen Kostümwechsel und die Hektik auf der Bühne ma­chen es jedoch jedem Opernfreund, der das Werk nicht genau kennt, schwer, den Überblick zu behalten. Auffälligste Figur auf der Bühne war der Niederländer Martijn Cornet als Schneidebart. Er stellte einen Harald Glööckler-Verschnitt dar und spielte den schwulen Barbier meisterhaft aus. Dazu gehörte Kondition, denn er war ständig in Bewegung, wurde ein halbes Dutzend Mal von irgendjemandem geschubst oder umgeworfen. Zudem be­wältigte er die für einen hohen lyrischen Bariton geschriebene und zwischen Tenor- und Bari­ton-Passagen variierende Tessitura mustergültig.

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Liliana de Sousa, Franz Hawlata. Foto: Matthias Jung

Aminta war wie auch in Chemnitz Julia Bauer, leider mit einer schrecklichen Perücken ver­unstaltet und zuweilen wie eine aufgedrehte Puppe wirkend. Bestechend waren ihre hohen Bögen. Die Stimme ist allerdings nicht allzu groß. Die Rolle ist für einen lyrischen Sopran oder sogar einen jugendlich-dramatischen Sopran mit Koloraturfähigkeit geschrieben worden. Bauer ist hingegen eher eine Soubrette. Dreh- und Angelpunkt der Handlung und umjubelter Protagonist war jedoch Franz Hawlata, der den Morosus mit Julia Bauer auch in Chemnitz gesungen hat und ständig in München singt (demnächst wieder bei den Festspielen). Über­haupt dürfte er nach seinem Salzburger Ochs der zur Zeit führende Vertreter für die großen Bassbuffo-Partien von Richard Strauss sein. Dabei ist er kein „Tiefenjäger“ wie sein Vor­gänger Kurt Moll. Dennoch gelangen ihm die tiefen D Ende des zweiten Akts sehr gut. Die Partie des Morosus reicht aber zugleich bis zum hohen F hinauf. Insofern kommt Hawlata zugute, daß er mühelos auch die notwendige Höhe mitbringt. Für den „alten Knochen“  Moro­sus“ wirkt er noch etwas zu jung und drahtig, macht das aber durch geschicktes Spiel wett.

Soweit ich die übrigen Partien als Sekundärpartien bezeichne, bin ich mir darüber im Klaren, daß ich damit der Kategorisierung von Konold nicht in jedem Fall gerecht werde. Gleichwohl rückt aber eben doch nur das besprochene Terzett Aminta, Schneidebart und Morosus ins Zentrum der Publikumsaufmerksamkeit. Für Henry Morosus ist das eigentlich bedauerlich. In Essen wird dieser von Michael Smallwood gesungen. Leider klang der junge Mann aber tat­sächlich stimmlich etwas schmal, was sicher nicht ausschließt, daß er mit seinem angenehmen Timbre ein guter Mozart-Tenor ist. Marie-Helen Joel gab eine köstlich schwatzhafte Haus­hälterin, Christina Clark eine sehenswert hochnäsig-intelligente Isotta und Liliana de Sousa ein lustig bayerisch schwafelndes Landei. Tijl Faveyts machte als Vanuzzi mit volltönendem Bass selbst Morosus Konkurrenz. Karel Ludvik gab den Morbio in der Rolle des sich durch lateinische Phrasen wichtig machenden Notars in überzeugender Weise. Baurzhan Ander­zhanov ergänzte als stimmgewaltiger Farfallo.

 Am Pult stand der Engländer Martyn Brabbins, der nicht gerade als Strauss-Experte bekannt ist. Umso erfreulicher war es, daß die Essener Philharmoniker unter seiner Leitung zu gro­ßer Präzision fanden und ein weiteres Mal nachdrücklich bewiesen, daß sie auch nach der Ära Soltesz „ihren“ Strauss noch im Blut haben. Auch die Verständigung mit den Sängern gelang hervorragend, obwohl das weder für den Dirigenten noch die Solisten einfach gewesen sein dürfte, da letztere sich häufig relativ weit hinten auf der Bühne befanden und zudem eine Ko­ordination wegen der ständigen Hektik auf der Bühne problematisch war. Bleibt noch zu er­wähnen, daß Alexander Eberle den Herrenchor des Aalto-Theaters in bekannt solider Weise vorbereitet hatte.                                                                         

Klaus Ulrich Groth

 

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