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ESSEN: DIE FRAU OHNE SCHATTEN

23.07.2013 | KRITIKEN, Oper
Essen: „DIE FRAU OHNE SCHATTEN“ 21.07.2013
Seit der Premiere 1998 besuchte ich mehrmals die Wiederaufnahmen  „Die Frau ohne Schatten“ (Richard Strauss) im Aalto-Musiktheater, war jedes Mal aufs Neue fasziniert von dieser phantastischen Produktion, denn schließlich zählt sie zur absoluten Favoritin meiner bisher 64 besuchten Aufführungen. Objektiv beschränkte sich der Regisseur und Bühnenbildner Fred Berndt in Kenntnis des Textes auf das Wesentliche, trennt  die Welten der Geister und die der sterblichen Menschen gekonnt in subjektive Materien: die perfekte Bühnenteilung in Form einer halbrunden Bühnenkonstruktion. Die Akteure des Geisterreiches  scheinen auf spiegelnder  Wasserfläche  zu schweben vor dem impressionistisch wirkenden Hintergrund in grünen Pastellfarben als Symbolik der Licht- und Schattenwelt mit den Steinstrukturen.  Ein tiefes Chagall-Blau dominiert im Menschenreich, das zeltähnliche Färberhaus umgeben von groben Pinselstrichen als Farbe des Himmels, symbolisiert Blau das Wasser, die Ruhe, den Intellekt, sowie das Unendliche, aus dem sich alles Leben entwickelt. Überwältigend präsentiert sich das zweite Aktfinale bei Übermächte sind im Spiel im Hinwegspülen der Existenzen durch eine Wasserfront, vortrefflich  durch einen den Orchestergraben umschließenden Vorhang mit Lichtadaptionen überwältigend demonstriert.
Phantasievolle Kostüme  (Dorothée Uhrmacher) bereichern zudem die wunderbare Optik und verleihen dieser grandiosen Produktion, die dimensionale  Suggestion der Superlative.

Bewundernswert mit welch stupender Selbstverständlichkeit die Essener Philharmoniker am letzten Tag einer anspruchsvollen Spielzeit musizierten, gewiss waren kleine, instrumentale Überfrachtungen nicht zu überhören, doch störten sie den pompösen, klangvollen Gesamteindruck in keiner Weise. GMD Stefan Soltesz leitete seine glanzvolle Abschiedsvorstellung und vermochte spektakulär die mitreißende Wucht des Werkes zu vermitteln, vorwiegend mehr am Strukturellen der monströsen Partitur interessiert als an den lyrischen Magnetismen. Traumhaft modellierten  eingebettet im seidigen Glanz der Streicher Lucja Madziar (Violine), Armin Fromm (Cello) und  Sascha Reckert (Glasharmonika) ihre innig leuchtenden Soli. Bestens abgetönte Holzbläser verbanden sich mit profundem Blech zum idiomatischen Strauss-Ton, einem Klangrausch heftigster
Orchestereruptionen.

Bei den Solisten gebührt die Krone des Abends zweifellos Silvana Dussmann (Kaiserin), vortrefflich verband die exzellente Sopranistin leichte Lyrismen mit druckfreien, dramatischen Höhenattacken und adelte diese ausgezeichnete Interpretation in bester Stimmführung, technischer Intelligenz, sensiblen, silbrigen Piani und warm tönendem Timbre – Bravo! Ihr kaiserlicher
Gatte (Jeffrey Dowd) hingegen hatte Probleme mit der Melodik seines Parts und bot eine tenoral, widersprüchliche Leistung. Doris Soffel stieß mit der Amme vokal oft an die Toleranzgrenze, verlieh jedoch dieser Extrempartie durch mächtige Mezzo-Ausbrüche und dämonischer Gestaltung eine bezwingende Prägnanz.

In voluminöser Großartigkeit zeichnete Franz Grundheber mit noch immer repräsentativem Bariton den Barak in emotional bestens differenzierten Klangfarben. Mächtig trumpfte Caroline Whisnant mit ihrem teils kindlich wirkenden Sopran-Timbre auf, sang vorrangig schön und ausgeglichen, stieß lediglich bei den dramatischen Tonintervallen an ihre vokalen Grenzen.
Mit reifem Bass röhrte Marcel Rosca (wurde er am Abend zuvor in „I Masnadieri“ in den Ruhestand verabschiedet) den Geisterboten. Sehr homogen erklang das Trio der Färber-Brüder (Heiko Trinsinger, Almas Svilpa, Rainer Maria Röhr), klangschön, bewegend beschworen die Stimmen der Wächter (Günter Kiefer, Svilpa, Trinsinger) „Ihr Gatten in den Häusern, in der Stadt“. Hulkar Sabirova zwitscherte den Falken sowie den Hüter der Schwelle, klangvoll pastos ertönte die Stimme von oben (Anja Schlosser), weniger schön kam der Jüngling (Andreas Hermann) daher, zu den bereits genannten Damen der Nebenrollen gesellten sich als Dienerinnen und Stimmen der Ungeborenen Astrid Kopp-Menéndez, Marie-Helen Joél, Marion Thienel.

Knapp 20 Minuten Ovationen belohnten alle Mitwirkenden, bleibt zu hoffen, die neue Intendanz ist sich des Kultstatus dieser kostbaren Produktion bewusst und  belässt sie weiterhin sporadisch im Spielplan!

Gerhard Hoffmann

 

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